Kolumbien, Syrien und die Demokratische Republik Kongo stehen Ende 2021 an der Spitze jener Staaten, die von Binnenflucht und –vertreibung betroffen sind. Dieses Problem hat jedoch eine globale Dimension und ist verantwortlich für fast zwei Drittel der Gesamtzahl von 100 Millionen Menschen auf der Flucht.

Ihre Schicksale spielen sich häufig vergessen von Weltöffentlichkeit und fernab von Hilfseinsätzen ab.

Sie sind Opfer von Krieg und Verfolgung und haben oft weder rechtlichen oder physischen Schutz. Ihre Zukunft ist unsicher – sie leben als Ausgestoßene in ihren eigenen Heimatländern.

Binnenvertriebene vs. Flüchtlinge

Wenn Zivilist*innen eine internationale Grenze überqueren, um der Verfolgung zu entkommen, erhalten sie in der Regel Nahrung und eine Unterkunft vom Aufnahmestaat. Sie sind durch internationale Abkommen geschützt und werden rechtlich als Flüchtlinge eingestuft. Menschen in ähnlichen Situationen, die zwar ihre Heimatregion verlassen, aber in ihrem Heimatstaat bleiben, werden zu Binnenvertriebenen. Für ihren Schutz ist eigentlich der jeweilige Staat zuständig, der diesen in vielen Fällen aber nicht mehr gewährleisten kann, oder für diese Bevölkerungsgruppe nicht garantieren will.

Wer ist zuständig?

Das Mandat von UNHCR sieht keine spezielle Zuständigkeit für Binnenvertriebene vor. Häufig sind diese aber von denselben Konflikten betroffen und haben dieselben Probleme wie Flüchtlinge. UNHCR hilft daher seit Jahren auch Binnenvertriebenen.

Staatliche Souveränität vs. Wahrung der Menschenrechte

In den vergangenen Jahren hat die internationale Gemeinschaft eine lebhafte Debatte über Binnenvertriebene begonnen. Dabei ging es um die Reichweite der staatlichen Souveränität gegenüber der Durchsetzung der Menschenrechte. Ende 2005 haben sich die Vereinten Nationen und andere Organisationen auf einen besser koordinierten und umfassenderen Ansatz zum Schutz von Binnenvertriebenen geeinigt. UNHCR übernimmt dabei eine leitende Position sowohl bei der Unterbringung von Binnenvertriebenen als auch bei ihrem Schutz und bei der Koordination in Vertriebenencamps.

Auszug aus den UN-Leitlinien für Binnenvertriebene

Die 1998 veröffentlichte Broschüre Guiding Principles on Internal Displacement enthält 30 Empfehlungen für Regierungen und Nichtregierungsorganisationen für den Umgang mit Binnenvertriebenen.

Nach der dort enthaltenen Definition sind Binnenvertriebene

„… Personen oder Personengruppen, die zur Flucht gezwungen oder verpflichtet wurden oder ihre Häuser oder üblichen Wohnsitze verlassen mussten, insbesondere infolge von oder zum Zwecke der Vermeidung der Auswirkungen von bewaffneten Konflikten, Situationen allgemeiner Gewalt, Menschenrechtsverletzungen oder natürlichen oder von Menschen verursachten Katastrophen, und die keine international anerkannte Staatsgrenze überquert haben“.

 Einige der 30 Leitlinien:

Leitlinie 2 (2): Diese Leitlinien sollen nicht als Einschränkung, Modifikation oder Beeinträchtigung von Bestimmungen völkerrechtlicher Menschenrechtsinstrumente oder von Instrumenten des humanitären Völkerrechts oder von Rechten interpretiert werden, die Personen durch nationale Gesetze eingeräumt wurden. Insbesondere lassen diese Leitlinien das Recht unberührt, in anderen Ländern Asyl zu suchen und zu erhalten.

Leitlinie 5: Alle Behörden und internationalen Akteur*innen sollen unter allen Umständen ihre sich aus dem Völkerrecht und insbesondere aus den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht ergebenden Verpflichtungen achten und ihnen Achtung verschaffen, um Bedingungen zu verhindern und zu vermeiden, die zur Vertreibung von Menschen führen könnten.

Leitlinie 6 (1): Alle Menschen sollen das Recht haben, davor geschützt zu werden, willkürlich aus ihrer Heimat oder von ihrem ständigen Wohnort vertrieben zu werden.

Leitlinie 15: Binnenvertriebene haben:

  1. das Recht, in einem anderen Teil ihres Herkunftslandes Sicherheit zu suchen
  2. das Recht, ihr Herkunftsland zu verlassen
  3. das Recht, in einem andern Land Asyl zu suchen, und
  4. das Recht auf Schutz vor erzwungener Rückführung an einen Ort oder Neuansiedlung an einem Ort, an dem ihr Leben, ihre Sicherheit, ihre Freiheit und/oder ihre Gesundheit gefährdet wäre.

Leitlinie 28 (1): Die zuständigen Behörden haben die vorrangige Pflicht und Verantwortung, die Bedingungen zu schaffen und die Mittel bereitzustellen, die es Binnenvertriebenen ermöglichen, freiwillig in Sicherheit und Würde in ihre Heimat oder an ihren ständigen Wohnort zurückzukehren oder sich freiwillig in einem anderen Landesteil neu anzusiedeln. Die zuständigen Behörden sollen Maßnahmen ergreifen, um die Reintegration zurückgekehrter und neu angesiedelter Binnenvertriebener zu erleichtern.