Massenrückführungen bringen Afghanistan an den Rand des Zusammenbruchs
Massenrückführungen bringen Afghanistan an den Rand des Zusammenbruchs

Im UNHCR-Zentrum erhalten Familien, die kürzlich aus Pakistan zurückgekehrt sind, medizinische Beratungen, Impfungen und wichtige Medikamente.
Seit September 2023 sind über drei Millionen Afghan*innen aus Nachbarländern zurückgekehrt. Allein im laufenden Jahr wird die Zahl der Rückkehrenden auf 780.000 geschätzt – darunter 351.600 Menschen, die abgeschoben wurden. Sie kehren in ein Land zurück, das auf ihre Ankunft kaum vorbereitet ist: Laut einem Bericht des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) leben drei Viertel der Bevölkerung am Existenzminimum, und die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass die Hälfte der Bevölkerung humanitäre Hilfe benötigt.
Bislang haben UNHCR, andere UN-Organisationen und die internationale Gemeinschaft eine zentrale Rolle dabei gespielt, die schlimmsten Konsequenzen abzufedern und zur Stabilisierung beizutragen. Rückkehrer*innen wurden durch finanzielle Hilfen unterstützt – etwa beim Hausbau oder dem Start eines kleinen Unternehmens. In ihren Heimatregionen hat UNHCR zudem Projekte in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Wohnen und Arbeitsmarkt gefördert.
Seit 40 Jahren steht UNHCR an der Seite der afghanischen Bevölkerung ebenso wie an der Seite der Staaten, die Flüchtlinge aufgenommen haben. Jetzt begleiten wir viele auf dem schwierigen Weg zurück. Die Rückkehr kann langfristig zur Stabilität, wirtschaftlichem Aufschwung und regionalem Frieden beitragen – aber nur, wenn sie freiwillig erfolgt und unter sicheren und würdevollen Bedingungen.
Wenn Hilfe an ihre Grenzen stößt
Angesichts der prekären finanziellen Situation von UNHCR können wir jedoch auch für Afghan*innen zunehmend weniger Hilfe bieten. Die Soforthilfe an der Grenze – meist in Form von Bargeld – wurde um das Siebenfache reduziert. Die verbleibenden Mittel reichen lediglich für die grundlegendste humanitäre Hilfe. Diese ist überlebenswichtig, reicht jedoch bei weitem nicht aus, um langfristige Perspektiven zu schaffen.
Auch unsere Unterstützung für jene mutigen Menschen, die sich unter großen persönlichen Risiken für Frauen und Mädchen in Afghanistan einsetzen, wird dadurch gefährdet – Menschen, die sich für Bildung, Erwerbsarbeit und öffentliche Teilhabe von Frauen starkmachen. Unsere Finanzierung hat viele dieser Projekte möglich gemacht, ihr Wegfall bedeutet, dass wir diese Engagierten im Stich lassen müssen.
Während viele zur Rückkehr gezwungen werden, bereiten sich andere erneut auf die Flucht vor – Richtung Iran, Türkei oder Europa.
Die internationale Gemeinschaft hat über Jahrzehnte hinweg massiv in Afghanistan investiert. Auch in dieser schwierigen Lage gibt es weiterhin die Chance, Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Wir rufen die Nachbarländer auf, faire Lösungen zu suchen, Afghan*innen mit Würde zu behandeln und regionale Kooperationen für sichere, freiwillige und nachhaltige Rückkehr zu fördern.
Zugleich appellieren wir an die internationale Gemeinschaft, ihre bisherigen Investitionen nicht aufzugeben, sondern politisch wie finanziell weiter hinter der afghanischen Bevölkerung zu stehen. UNHCR benötigt in diesem Jahr 216 Millionen US-Dollar für die Hilfsmaßnahmen in Afghanistan – bisher wurden lediglich 25 Prozent dieser Summe bereitgestellt.