Erklärung des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge vor dem UN-Sicherheitsrat
Erklärung des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge vor dem UN-Sicherheitsrat

UN-Flüchtlingshochkommissar Grandi spricht am 28. April vor dem UN-Sicherheitsrat in New York.
„Seit mehreren Jahren hat mich der Sicherheitsrat freundlicherweise regelmäßig eingeladen, meine Gedanken zur globalen Situation von Flüchtlingen und anderen Personen, die unter das Mandat von UNHCR fallen, zu teilen. Ich danke Ihnen daher, Herr Präsident, dass Sie mich hier ein weiteres Mal - und wahrscheinlich ein letztes Mal als Hochkommissar für Flüchtlinge - unter der Schirmherrschaft der französischen Ratspräsidentschaft begrüßen. Dies ist eine sinnvolle Praxis, die übrigens auch in Ihren Verfahren verankert ist. Ich möchte Sie ermutigen, dies auch zukünftig weiterhin zu tun.“
Herr Präsident,
Dies ist eine Zeit des Krieges. Dies ist eine Zeit der Krise.
Vom Sudan bis zur Ukraine, von der Sahelzone bis nach Myanmar, von der Demokratischen Republik Kongo bis nach Haiti - Gewalt ist zur bestimmenden Währung unserer Zeit geworden. UNHCR ist zwar nicht an den Hilfsmaßnahmen der Vereinten Nationen im Gazastreifen beteiligt, aber die Lage der Zivilbevölkerung dort, von der wir dachten, dass sie nicht noch schlimmer werden könnte, erreicht von Tag zu Tag ein neues Ausmaß an Verzweiflung. Ich weiß, dass ich den Mitgliedern dieses Rates nichts erzähle, was Sie nicht schon wissen - was an sich schon eine Anklage ist -, aber das ist leider die Realität in unserer Welt. Eine Welt, in der nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz 120 Konflikte unvermindert wüten. Jeder einzelne von ihnen wird von derselben perversen, aber mächtigen Wahnvorstellung genährt: dass Frieden etwas für die Schwachen ist; dass der einzige Weg, einen Krieg zu beenden, nicht in Verhandlungen besteht, sondern darin, dem Feind so viel Schmerz zuzufügen, dass er nur noch zwei Möglichkeiten hat: Sich zu ergeben oder vernichtet zu werden.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Normen des humanitären Völkerrechts, die einst respektiert oder zumindest als solche proklamiert wurden - Schutz der Zivilbevölkerung, Wahrung der Neutralität der humanitären Akteure, Ermöglichung der Nothilfe für die belagerte Bevölkerung - beiseite geschoben werden, so einfach wie die Tausenden von Menschenleben, die beim Streben nach der Vorherrschaft zerstört wurden. Wie Papst Franziskus sagte, „stellt jeder Krieg nicht nur eine Niederlage der Politik dar, sondern auch eine schändliche Kapitulation“. Er ist leider von uns gegangen, aber seine Worte sind aktueller denn je.
Kriege zu verhindern und zu beenden - Frieden und Sicherheit zu wahren - das ist das Mandat des Sicherheitsrates. Dies ist Ihre Hauptverantwortung. Und eine, der dieses Gremium - Sie werden mir verzeihen, dass ich es noch einmal sage - chronisch nicht gerecht geworden ist.
Aber bitte geben Sie sich nicht mit der Niederlage der Diplomatie ab. Ich spreche heute noch einmal im Namen der 123 Millionen Vertriebenen zu Ihnen, die zu den ersten Opfern von Kriegen gehören und in vielerlei Hinsicht das sichtbarste Symptom von Konflikten und Verfolgung sind. Sie sind in verheerenden Situationen gefangen und haben sich in Sicherheit gebracht - oder zumindest versucht, dies zu tun. Aber sie werden weiterhin auf eine sichere Rückkehr hoffen. Und sie - das weiß ich - werden nicht resignieren und wollen auch nicht, dass wir resignieren.
Wie die Menschen im Sudan, von denen ein Drittel seit Beginn des Konflikts vor zwei Jahren vertrieben wurde. Einer von drei Menschen! Sie sind gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen, weil die Situation unbeschreiblich ist: willkürliche Gewalt, Krankheiten, Hunger, sexuelle Übergriffe, Überschwemmungen, Dürren.
Es sind ein Land und eine Gesellschaft, in denen jeder Anschein der Einhaltung von humanitären Normen aufgegeben wurde. Ich war Anfang dieses Monats im Tschad, an der Grenze zum Sudan. Ich traf Frauen und Kinder, die gerade aus dem umkämpften El-Fasher und Zamzam gekommen waren. Sie berichteten von Schrecken, aber vor allem von Angst. Die Zivilbevölkerung in Darfur wird regelmäßig daran gehindert, aus gefährlichen Gebieten zu fliehen. Schlimmer noch, sie werden zur Zielscheibe - Sie werden die jüngsten Berichte über Angriffe auf Zivilisten in und um Vertriebenencamps gesehen haben, wo die Lieferung von Hilfsgütern nicht nur eine sicherheitstechnische und logistische Herausforderung ist, wie im überall im Land, sondern auch ein bürokratischer Albtraum, der politisch gewollt ist. Deshalb war es so bezeichnend, dass dieselben Familien, die mir ihre Geschichten erzählten, auf die Grenze zeigten und sagten, dass der Grenzübertritt trotz aller Entbehrungen, von denen sie wussten, dass sie sie ertragen würden, bedeutete, zumindest diese Angst hinter sich zu lassen - ein besseres Zeugnis für die lebensrettende Kraft des Asyls gibt es nicht.
Während die Zahl der vertriebenen Menschen aus dem Sudan immer weiter ansteigt, schlagen humanitäre Organisationen Alarm über die Gräueltaten, die dem sudanesischen Volk zugefügt werden. Sie haben auch davor gewarnt - wie ich es erst vor wenigen Tagen auf der Londoner Konferenz wieder getan habe -, dass die Folgen dieses Konflikts inzwischen weit über die Grenzen des Sudan hinausreichen, insbesondere in die Länder, die insgesamt mehr als drei Millionen sudanesische Flüchtlinge beherbergen, von Ägypten über Äthiopien und Uganda bis zur Zentralafrikanischen Republik. Am stärksten betroffen sind der Tschad und der Südsudan, die neben dem Flüchtlingszustrom mit enormen eigenen Herausforderungen konfrontiert sind, ihre Grenzen aber trotz völlig unzureichender Finanzierung der humanitären Hilfe offenhalten. Der jüngste regionale Hilfsplan für Flüchtlinge aus dem Sudan ist nur zu 11 Prozent finanziert.
Die Not ist gewaltig. Die Flüchtlinge kommen mit leeren Händen an und erhalten nur einen Bruchteil dessen, was sie brauchen, weil die Hilfsgelder zurückgehen. An Unterstützung kommt noch das dazu, was die tschadischen Gemeinden in Grenznähe aufbringen können. Die tschadischen Behörden scheuen keine Mühen. Die Flüchtlingspolitik des Landes gehört zu den fortschrittlichsten weltweit. Doch was fehlt, sind Ressourcen. Wir dürfen diese Länder nicht alleinlassen.
Denn die Entscheidung, Flüchtlinge aufzunehmen, zu schützen und ihnen zu helfen, ist nicht selbstverständlich, Herr Präsident - weniger willkommen heißende Reaktionen auf Vertriebene in viel reicheren Ländern zeigen das deutlich. Alle Länder treffen Entscheidungen, und Sie haben gehört, dass ich mit vielen nicht einverstanden bin. In diesem Fall treffen die Länder, die Flüchtlinge aufnehmen, die richtige Entscheidung. Sie tragen ihren Teil dazu bei. Wir, die humanitären Helfer, sind vor Ort und leisten unseren Beitrag. Sie (im Sicherheitsrat) müssen sich noch mehr engagieren und sich noch mehr zusammenschließen, um Ihren Teil zu tun. Jeder Tag, der verstreicht, ohne dass sich die Konfliktparteien im Sudan an den Verhandlungstisch setzen, verschlimmert den Krieg und macht ihn noch komplizierter: Die Flüchtlinge sprechen nicht nur von zwei Parteien, sondern auch von einer Vielzahl lokaler Milizen, die nur lose mit den Hauptakteuren verbunden sind und gewalttätige Übergriffe begehen.
Dieses tödliche Chaos ist ein Merkmal moderner Kriege. Wir hätten unsere Lehren aus den Kriegen in der Demokratischen Republik Kongo oder in Afghanistan ziehen sollen, mit deren Auswirkungen viele Mitglieder dieses Rates noch heute zu kämpfen haben. Denn wenn sich die derzeitige Dynamik - gefühlte Ohnmacht, Resignationund schwindende Hilfe - nicht ändert, dann sollten wir uns keinen Illusionen hingeben: Die destabilisierenden Auswirkungen des Sudankrieges werden zunehmen, einschließlich der Weiterwanderung von Menschen: Schon heute befinden sich mehr als 200.000 Sudanesen in Libyen, von denen viele nach Europa weiterreisen könnten.
Herr Präsident,
mit großer Sorge verfolge ich - wie Sie sicher auch - die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine - einem Land, das ich seit 2022 sechsmal besucht habe. Erst im Januar war ich in Kyiv und Sumy - Städte, die gerade in den letzten Tagen wieder verheerende Angriffe erlitten haben. Ich habe gesehen, welch schrecklichen Preis dieser Krieg nach wie vor für die Menschen in der Ukraine und insbesondere für die Schwächsten - ältere Menschen, Kinder, Familien - fordert, deren Widerstandskraft jedoch bewundernswert bleibt, auch wenn sie schwächer geworden ist. UNHCR arbeitet eng mit der Regierung und Partnern aus der Zivilgesellschaft vor Ort zusammen, um das Leid zu lindern und den Menschen etwas Normalität und Hoffnung zu geben.
Doch was die Menschen brauchen, ist eindeutig ein gerechter Frieden, wie viele es bereits gesagt haben. Meine Aufgabe ist es jedoch nicht, zu beschreiben, wie dieser aussehen könnte, sondern all diejenigen, die sich für den Frieden einsetzen, daran zu erinnern, dass sie die Notlage von mehr als 10 Millionen vertriebenen Ukrainern und Ukrainerinnen nicht vergessen dürfen, von denen sieben Millionen Flüchtlinge sind. Es ist von entscheidender Bedeutung, weiterhin die freiwillige Rückkehr dieser Menschen in ihre Heimat zu planen. Aber sie werden nur dann zurückkehren, wenn sie kurz- und langfristig in Sicherheit sind. Das wird nur passieren, wenn die Sirenen keine neuen Angriffe mehr ankündigen, sie Zugang zu angemessenen Wohnungen, Versorgungsleistungen und Arbeit haben, und sie zuversichtlich sind, dass die Friedensvereinbarungen sowohl für sie als auch für ihr Land von Dauer sind.
Das ist das entscheidende Kriterium für die Beendigung von humanitären Notlagen und Flüchtlingskrisen, Herr Präsident. Sicherheit und Eigenständigkeit. Und beides muss das Gefühl vermitteln, dauerhaft zu sein.
Lösungen sind harte Arbeit. Sie erfordern Engagement und Kompromisse. Man kann nicht passiv Frieden schließen oder darauf hoffen, dass er sich durch bloße Zermürbung einstellt. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir bereit sind, auch unerwartete Chancen zu ergreifen, wenn sie sich uns bieten. Und dass wir bereit sind, kalkulierte Risiken einzugehen.
In den letzten acht Jahren war die Reaktion in Myanmar zum Beispiel von Stagnation geprägt. Die Kämpfe zwischen der Tatmadaw und verschiedenen bewaffneten Gruppen haben im ganzen Land und in der Region zu unermesslichem Leid und massiven Vertreibungen geführt - eine Situation, die durch das schreckliche Erdbeben vor einem Monat noch verschärft wurde. Vor allem die Notlage der Rohingya-Minderheit hat sich weiter verschärft. Die Kämpfe im Bundesstaat Rakhine mit der Arakan-Armee waren besonders grausam - 1,2 Millionen Rohingya sind heute Flüchtlinge, die meisten in Bangladesch, in den Camps um Cox's Bazar.
Wir müssen Bangladesch und seiner Bevölkerung dafür danken, dass sie ihnen über die Jahre hinweg Zuflucht gewährt haben. Doch die Rohingya-Flüchtlinge harren in den Camps aus, ohne Arbeit, ohne Teilhabe an Entscheidungen, völlig abhängig von humanitärer Hilfe, die immer prekärer wird. Die Hälfte der Flüchtlingsbevölkerung ist unter 18 Jahre alt. Sie sind, um es mit den Worten des Chefs der Übergangsregierung Dr. Yunus zu sagen, von allen Möglichkeiten abgeschnitten, aber über das Internet mit der Welt verbunden. Ist es da verwunderlich, dass sich viele von ihnen auf der Suche nach einer Chance zu gefährlichen Seereisen gezwungen sehen? Oder dass diejenigen, die Kämpfer rekrutieren wollen, bei ihnen auf fruchtbaren Boden stoßen?
Aber es gibt jetzt eine Gelegenheit, diese gefährliche Trägheit zu durchbrechen. Die Übergangsregierung von Bangladesch hat sich entschlossen, mit den Konfliktparteien im Bundesstaat Rakhine zusammenzuarbeiten, um dort eine Lösung herbeizuführen. Viele werden sofort sagen, dass eine solche Lösung heute aus den bekannten Gründen unmöglich ist: Es wurde zu viel Blut vergossen, die Diskriminierung hält an, und es gibt zu viele konkurrierende Interessen, die es auszugleichen gilt. Viele werden sagen, dass die Ursachen niemals wirksam angegangen werden können, und das mag durchaus der Fall sein.
Aber in Bezug auf die Situation der Rohingya befinden wir uns seit acht Jahren auf dem Weg der Stagnation - das ist eine Sackgasse. Um Lösungen für die Notlage der Rohingya zu finden und die Bedingungen für die Rückkehr der Flüchtlinge wiederherzustellen, ist der Dialog mit allen Parteien ein wichtiger erster Schritt, damit die humanitären Organisationen - einschließlich UNHCR - ihre Präsenz wiederherstellen und die dringend benötigte humanitäre Hilfe wieder aufnehmen können - sicher und ungehindert.
Dies wiederum würde eine Grundlage für die Wiederaufnahme von Gesprächen über eine eventuelle Rückkehr der vertriebenen Rohingya bieten. Ich betone, dass diese freiwillig, in Sicherheit und Würde stattfinden muss, sobald die Sicherheitslage in Rakhine dies zulässt. Es ist sicherlich eine schwierige Aufgabe, aber ich fordere Sie auf, über den Tellerrand hinauszuschauen und einige Risiken einzugehen. Ich hoffe, der Rat wird sich weiterhin intensiv mit der Lage in Myanmar befassen - auch mit der Notlage der Rohingya - und ich begrüße die für September geplante Konferenz hier in New York.
Herr Präsident,
Andere mögliche Wendepunkte sind buchstäblich sogar von hier aus sichtbar. Am Freitag wurde die neue Flagge Syriens bei den Vereinten Nationen gehisst - was für ein starkes Symbol für alle Syrerinnen und Syrer! Wir haben es hier mit einer weiteren langjährigen humanitären Krise und Vertreibungssituation zu tun, für die nun eine unerwartete Lösung möglich sein könnte. Aber dafür müssen Sie alle dem syrischen Volk Vorrang vor der langjährigen politischen Linie einräumen, von der einige Aspekte offen gesagt überholt sind. Das bedeutet auch, kalkulierte Risiken einzugehen. Natürlich dürfen wir nicht naiv sein, es gibt noch viele Herausforderungen - Sie haben gehört, wie Minister Shaibani sie hier am Freitag beschrieben hat. Es ist unmöglich, die durch 14 Jahre Krieg verursachten Verwüstungen in wenigen Monaten zu überwinden. Aber zum ersten Mal seit Jahrzehnten gibt es einen Funken Hoffnung, auch für die Millionen Syrerinnen und Syrer, die heute noch Flüchtlinge sind, davon 4,5 Millionen in den Nachbarländern.
Seit dem 8. Dezember nehmen diese Zahlen langsam, aber stetig ab, da die Rückkehrbewegung von Binnenvertriebenen aus Syrien zunimmt. Wir beobachten eine Zunahme der Rückkehrer auch aus Jordanien, dem Libanon und der Türkei. Wir schätzen, dass über eine Million Menschen - eine Million Menschen! - bereits zurückgekehrt sind, und nach den jüngsten Erhebungen könnten noch viele weitere folgen.
Ob sie in Syrien bleiben oder das Land tragischerweise wieder verlassen - auch nach Europa und darüber hinaus - hängt natürlich von der Übergangsregierung ab, aber auch - und das ist sehr wichtig - von Ihrer Bereitschaft, Risiken einzugehen. Lockerung der Sanktionen, ernsthafte Unterstützung des frühen Wiederaufbaus, Förderung von Investitionen des Privatsektors und mehr. Kurzgesagt: Schaffung von Bedingungen, damit die grundlegenden Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben - Sicherheit, Wasser, Strom, Bildung, wirtschaftliche Möglichkeiten - für die syrische Bevölkerung zur Verfügung stehen, wenn sie mit dem Wiederaufbau beginnt. Um die Risiken zu minimieren, die die zurückkehrenden Syrer und Syrerinnen eingehen, fordere ich Sie auf, selbst einige Risiken einzugehen - politische und wirtschaftliche. Und ja, das muss auch eine nachhaltige und umfangreichere humanitäre Hilfe bedeuten, die im Moment - wie überall - stark rückläufig ist.
Herr Präsident,
es wäre in der Tat nachlässig, wenn ich, bevor ich zum Schluss komme, die Aufmerksamkeit des Rates nicht auf die kritische Situation der Finanzierung der Hilfe lenken würde. Genau in dem Moment, in dem man hofft, endlich Lösungen für mehrere Vertreibungskrisen zu finden - nicht nur in Syrien, sondern auch in Burundi oder der Zentralafrikanischen Republik -, erleben wir einen Rückzug aus der Hilfe, aus dem Multilateralismus und sogar aus der lebensrettenden Unterstützung. Wir hören, dass nationale Interessen Vorrang haben, dass die Verteidigungsausgaben erhöht werden - alles berechtigte Anliegen und legitime Bestrebungen von Staaten. Aber diese sind nicht unvereinbar mit der Hilfe, ganz im Gegenteil.
Und so ertappe ich mich dabei, wie ich immer wieder dasselbe Argument vorbringe und versuche, die Geberländer von einer Realität zu überzeugen, die wir alle klar erkennen können: dass Hilfe Stabilität bedeutet.
Das Einfrieren oder die Kürzung von Hilfsgeldern hat bereits jetzt fatale Auswirkungen auf das Leben von Millionen von Menschen. Es bedeutet unter anderem, dass man Vertriebene ihrem Schicksal überlässt, dass man den mitunter sehr fragilen Aufnahmeländern die Unterstützung entzieht und dass man letztlich die eigene Stabilität untergräbt.
Und der Multilateralismus - einschließlich der multilateralen Hilfe - trägt zu eben dieser Stabilität bei und ist nach wie vor unverzichtbar, um Lösungen für Krisen, einschließlich Vertreibungskrisen, zu finden. Es mag überholt klingen, Herr Präsident, aber nach mehr als 40 Jahren als humanitärer Helfer und fast 10 Jahren in meiner jetzigen Funktion bin ich nach wie vor der Meinung, dass alle Stimmen - die starken und die weniger starken - gehört werden können, wenn sich alle an einen Tisch setzen. Und denjenigen, die den Multilateralismus als erdrückend, langsam und nicht auf ihre Prioritäten abgestimmt empfinden, möchte ich sagen, dass ein Ausstieg aus der Debatte nicht bedeutet, dass die Diskussion beendet wäre. Das wird sie nicht, aber sie wird weniger effektiv und weniger überzeugend sein. Wir brauchen Sie alle.
Flüchtlinge sind eines der besten Beispiele für diese gemeinsame Aufgabe. Denn wenn Sie sich in diesem Saal umsehen, werden Sie wie ich feststellen, dass jedes Mitglied des Sicherheitsrates auf die eine oder andere Weise von Vertreibung betroffen war.
Der Kampf um Freiheit, der Kampf gegen Unterdrückung, der Zwang, seine Heimat aufgrund von Krieg, Gewalt und Verfolgung zu verlassen, die Zuflucht, die man denjenigen gewährt, die zur Flucht gezwungen sind - auch dies sind vertraute Stränge in der Geschichte jedes Ihrer Länder, die auf komplexe und einzigartige Weise tief in Ihre Traditionen und Werte eingewoben sind. Sie alle sind 'die Flüchtlinge' gewesen. Und Sie alle haben in der Vergangenheit diejenigen aufgenommen, die Zuflucht gesucht haben.
Nun sitzen Sie an diesem Tisch und haben die Verantwortung, Kriege zu beenden und Frieden zu schaffen. Und das muss Ihnen gelingen.
Das sind Sie nicht nur all jenen schuldig, die vertrieben wurden und auf Sie zählen.
Sie sind es auch sich selbst schuldig.
Merci beaucoup.