Vereine im Porträt: Engagement für Sichtbarkeit und Rückhalt

Vereine im Porträt: Engagement für Sichtbarkeit und Rückhalt
Ob Frauenrechte, die Sichtbarkeit von LGBTQI+ Personen oder der Fokus auf Kinder- und Jugendarbeit: Diese drei Vereine von Geflüchteten leisten in ihren Bereichen Großartiges und engagieren sich für Gruppen, die Rückhalt in der Gesellschaft benötigen.
Wadajir Somalischer Frauenverein – „Zusammen“ für Frauenrechte, Bildung und Integration
„Wadajir“ bedeutet „zusammen“ auf Somali. Und das ist auch der perfekte Name für einen somalischen Frauenverein in Wien unter der Leitung von Asha Osman. Gemeinsam mit Sudi Mohamed Ali und Fowzia Abdullahi Diriye hat sie den Verein Wadajir 2018 ins Leben gerufen. Die drei Frauen, die selbst aus Somalia nach Österreich flüchten mussten, wollen vor allem Motivation und Unterstützung für andere somalische Frauen und Orientierung für Jugendliche bieten. „Wir möchten, dass somalische Frauen, die in Österreich leben, auch hier Fuß fassen können“, erklärt die Obfrau des Vereins, Asha Osman, eines ihrer wichtigsten Ziele.
Zwölf weitere Frauen unterstützen neben dem Vorstand die Arbeit von Wadajir. Herzstück des Vereins ist die WhatsApp-Gruppe mit über 60 Mitgliedern, in der Informationen zu Gesundheits-, Integrations- und Bildungsthemen geteilt werden. Die Informationen in der WhatsApp-Gruppe werden meistens in Form von Sprachnachrichten versendet, denn manche der Frauen können nicht lesen oder schreiben. „Wir helfen uns gegenseitig. Wenn jemand zum Arzt muss und eine Begleitung braucht, schreiben wir das in die Gruppe und es findet sich immer Unterstützung“, erklärt Schriftführerin Sudi Mohamed Ali.
Gerade durch die Coronakrise gab und gibt es viele Infos, die so über WhatsApp mit der Community geteilt werden können. „Einige Frauen dachten am Anfang, dass sie aufgrund der Ausgangsbeschränkungen ihre Wohnungen überhaupt nicht verlassen dürfen. Das konnten wir dann schnell klären“, erzählt Asha Osman.
Ein weiteres Projekt des Vereins muss leider momentan aufgrund von COVID-19 ruhen: Das Somalische Frauencafé, das normalerweise zweimal pro Monat in Zusammenarbeit mit der Wiener Magistratsabteilung für Integration und Diversität (MA17) abgehalten wird. Wenn es die Umstände erlauben, wird es wieder weitergeführt. Vor der Pandemie fungierte das Frauencafé als Treffpunkt für Somalierinnen in Wien. Oft sprechen dort eingeladene Expert*innen, beispielsweise Mitarbeiter*innen der Wiener Polizei und der Kinder- und Jugendhilfe, über bestimmte Themen.

Das Team von Wadajir beschäftigt sich auch mit dem Thema FGM (weibliche Genitalverstümmelung) und versucht hier, Aufklärungsarbeit zu leisten. Alle drei Vereinsgründerinnen haben jahrelange Erfahrung im Sozialbereich sowie in der Arbeit mit Frauen und können dadurch auch bei einem so schwierigen Thema wichtige Arbeit leisten. Asha Osman ist hauptberuflich seit 2013 als Sozialassistentin beim Verein Nachbarinnen beschäftigt und unterstützt dort Menschen mit Migrations- oder Fluchthintergrund, die wenig Kontakte haben. Ihre Kollegin Sudi Mohamed Ali hat vor ihrer Flucht in Somalia im Frauenministerium und bei einer NGO gearbeitet. „Wir haben uns 2018 gemeinsam entschieden, einen Verein zu gründen. Wir sind alle gut in der Community vernetzt und haben viel Expertise. Gemeinsam mit der MA 17 haben wir dann gestartet“, erzählt Asha.
Ein wichtiger Grund für die Vereinsgründung war es auch, dass einige Somalierinnen in Österreich sehr zurückgezogen leben. „Es stimmt. Manche Frauen gehen nur selten raus und bleiben eher unter sich. Das wollen wir ändern und alle motivieren, an der Gesellschaft teilzunehmen“, erklärt Vereinsgründerin Osman. Warum Frauen für Wadajir die wichtigste Zielgruppe sind? „Wenn eine Frau motiviert ist, färbt das auf die ganze Familie ab. In Somalia sagt man auch: Wenn ein Mädchen gebildet ist, ist die ganze Familie gebildet. Die Frau ist der Zugang zur restlichen Familie“, sind die Wadajir-Gründerinnen überzeugt.
https://www.facebook.com/wadajir.verein
Afro Rainbow Austria – Sichtbarkeit für LGBTQI+ Personen afrikanischer Herkunft
Der Verein Afro Rainbow Austria hat einen anderen Fokus gewählt. Afro Rainbow Austria sieht sich als Community für LGBTQI+ Migrant*innen aus afrikanischen Ländern in Österreich und tritt für die Rechte und Sichtbarkeit dieser Zielgruppe ein. Seit der Gründung 2017 ist ARA, so die Kurzform für Afro Rainbow Austria, der einzige Verein in Österreich mit Fokus auf LGBTQI+ Personen afrikanischer Herkunft.
„Unsere Zielgruppe wird mit alltäglichem und strukturellem Rassismus und Homophobie konfrontiert, sowohl vonseiten der Mehrheitsgesellschaft als auch innerhalb der afrikanischen Communities“, erklärt ARA-Gründerin Henrie Dennis. Deshalb war es für Henrie, die hauptberuflich als künstlerische Leiterin des Festivals Wienwoche tätig ist, sich zu engagieren.
Dass es ARA heute gibt, geht auf die Initiative von Obfrau Henrie zurück. Sie stammt ursprünglich aus Nigeria und setzt sich schon jahrelang für die Anliegen von LGBTQI+ Menschen ein. „Als ich nach Wien kam, war ich oft die einzige afrikanische Frau in einem Club für Lesben. Ich habe mich gefragt: Wo sind alle anderen? Da wurde mir klar, dass ich etwas tun kann und muss“, erinnert sich Henrie an ihre Anfangszeit in Wien.

Mittlerweile hat Afro Rainbow Austria um die 50 aktive Mitglieder, die Workshops, Panels, Beratungen bei rechtlichen Fragen und monatlichen Meetings abhalten. Zu diesen „Meet’n‘Greet“-Events, die jeden dritten Mittwoch stattfinden, kommen immer ca. 20 Personen. Ziel dieser Meetings ist es, sich gegenseitig zu stärken, Erfahrungen zu teilen und neue Mitglieder willkommen zu heißen. „Afro Rainbow Austria soll eine zweite Heimat für unsere Mitglieder sein. Jede*r in unserer Community soll gesehen werden“, beschreibt Henrie Dennis.
Das gegenseitige Stärken und Bereitstellen eines „Safe spaces“ ist für LGBTQI+ Aktivistin Henrie und die restlichen ARA-Mitglieder besonders wichtig, da sie gleich an mehreren Fronten gegen Rassismus und Homophobie auftreten. „Wir leisten Antirassismus-Arbeit und kämpfen gleichzeitig gegen Homophobie, sowohl in Österreich als auch in den afrikanischen Communities hier und in afrikanischen Ländern. Manchmal fühlen wir uns, als könnten wir nicht alles gleichzeitig angehen. Wir geben, was wir können, aber wir schauen auch auf unsere mentale Gesundheit“, meint Henrie. Ihr wichtigstes Ziel für den Verein? „Wir müssen eine sichere Zukunft und Rechte für LGBTQI+ Personen afrikanischer Herkunft schaffen.“
https://afrorainbow.at/
https://www.facebook.com/afrorainbow/
WayNakh Sport- und Kulturverein – Begegnungsraum für alle
„Nur zusammen sind wir stark und wir können alles erreichen.“ So lautet das offizielle Motto des Vereins WayNakh aus Linz. Der Verein, der im August 2019 gegründet wurde, möchte eine Anlaufstelle für Menschen aus dem russischsprachigen Raum bieten, ihre Integration in Österreich fördern, aber gleichzeitig auch den Zugang zur Kultur ihrer Herkunftsregion aufrechterhalten. Ursprünglich richtete sich WayNakh vor allem an Menschen aus der tschetschenischen Community, mittlerweile nutzen aber vereinzelt auch russische, bosnische, ukrainische, somalische und irakische Staatsbürger*innen das vielfältige Angebot von WayNakh.
„Wir begleiten Menschen zu Behörden und unterstützen beim Ausfüllen von Formularen. Wir möchten in Zukunft außerdem Schlichtungs- und Erstanlaufstelle für Polizei, Gerichte, Gewaltschutzzentren, Frauenhäuser und soziale Beratungsstellen. Dabei können wir die Sprachbarrieren überwinden und verschiedene Missverständnisse oder schwierige Konfliktsituationen im Vorfeld schon bereinigen“, erzählt Projektkoordinatorin Kamila Ahmadova.
Doch das ist noch lange nicht alles, was der Verein für seine Zielgruppe bietet. Neben einem wöchentlichen Tschetschenisch-Sprachkurs für Kinder, einem interkulturellen Elterncafé, einer Lernbetreuung und verschiedenen Diskussionsrunden gibt es für Kinder und Jugendliche auch die Möglichkeit, an einem Sozialkompetenztraining teilzunehmen. „In den Medien wird die Situation mit den tschetschenischen Jugendlichen immer wieder angesprochen und negativ hochgespielt. Wir wollen dem schon im Vorfeld entgegenwirken“, erklärt Kamila Ahmadova. „Im Training wollen wir ihnen die gängigen Werte und Verhaltensregeln vermitteln, damit das Zusammenleben mit der Gesellschaft besser funktioniert.“ Unterstützt wird das Sozialkompetenztraining auch von Referent*innen der Kinder- und Jugendanwaltschaft, dem Institut für Suchtprävention und weiteren Expert*innen, die mit den teilnehmenden Kindern Workshops abhalten.

WayNakh möchte vor allem für Kinder und Jugendliche einen Begegnungsraum schaffen, in dem sie sich wohlfühlen und auch Probleme ansprechen können. Gleichzeitig will das Team von WayNakh ihnen auch die tschetschenische Kultur und Sprache näherbringen. „Die Kinder lernen, dass man gleichzeitig sowohl tschetschenische Kultur pflegen, als auch in Österreich integriert sein kann. Das ist uns sehr wichtig“, so Projektverantwortliche Kamila Ahmadova.
Die Angebote des Vereins richten sich aber auch an eine weitere wesentliche Zielgruppe, nämlich an Frauen. Hier sind sich sowohl die Mitarbeiterin von WayNakh als auch die Gründerinnen von Wadajir einig. „Wir sind überzeugt, dass wir durch motivierte Mütter auch motivierte Kinder und Jugendliche haben werden“, so Kamila. „Wir wollen ihnen zeigen, dass sie mit ihren Ängsten und Problemen nicht auf sich alleine gestellt sind. Uns ist auch wichtig, dass die Frauen ihr Leben aktiv gestalten.“