Ukraine-Krieg hinterlässt nach zwei Jahren Millionen Vertriebene im Ungewissen
Ukraine-Krieg hinterlässt nach zwei Jahren Millionen Vertriebene im Ungewissen
Während der Krieg weiter wütet, ist die humanitäre Lage in der Ukraine nach wie vor katastrophal, denn rund 40 Prozent der Bevölkerung benötigen humanitäre Hilfe und Schutz. Für viele ist dies nicht die erste Begegnung mit Krieg und Vertreibung, denn in dieser Woche jährt sich der Beginn des Krieges in der Ostukraine zum zehnten Mal.
Derzeit gibt es fast 6,5 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine, die weltweit Zuflucht gesucht haben, während etwa 3,7 Millionen Menschen innerhalb des Landes gewaltsam vertrieben wurden. Auch in der Schweiz werden mehr als 65’000 Menschen durch den im März 2022 aktivierten vorübergehenden Schutz (Schutzstatus S) geschützt.
Die Schweizer Behörden und Zivilgesellschaft haben eine beeindruckende Leistung vollbracht, indem sie die Flüchtlinge aus der Ukraine zu Beginn des Krieges in so kurzer Zeit aufgenommen haben. Dennoch bestehen Herausforderungen, unter anderem hinsichtlich des Spracherwerbs und des Zugangs zum Arbeitsmarkt. Um die Handlungsfähigkeit (agency) der Flüchtlinge, ihre berufliche und andere Kompetenzen zu erhalten und auszubauen, sollten die Flüchtlinge aus der Ukraine zunehmend in die schweizerische Gesellschaft eingebunden werden. Dies steht einer Rückkehr, sobald diese möglich ist, nicht entgegen, sondern kann diese im Gegenteil sogar unterstützten.
Neue Umfrage zeigt: Sicherheitslage bleibt grösstes Rückkehrhindernis
Seit Anfang des Angriffskrieges führt UNHCR europaweite Umfragen unter Flüchtlingen aus der Ukraine durch (siehe fünfte Ausgabe "Lives on hold: Intentions and Perspectives of Refugees, Refugee Returnees and IDPs from Ukraine"). Letztes Jahr veröffentlichte UNHCR gemeinsam mit dem SEM eine länderspezifische Umfrage unter Flüchtlingen aus der Ukraine in der Schweiz.
Diese repräsentative Umfrage hat gezeigt, dass die grosse Mehrheit der ukrainischen Flüchtlinge in der Schweiz aus dem Osten der Ukraine (38 %), Kyiv (24 %) sowie den südlichen Regionen (16 %) stammen, wobei die meisten bereits im Frühjahr 2022 in der Schweiz Schutz suchten (82 % bis August 2022). Zum Zeitpunkt der Umfrage gaben ein Drittel der Befragten an, eines Tages wieder in die Ukraine zurückkehren zu wollen, während 40 % unentschlossen sind und 27 % keine Hoffnung auf eine Rückkehr haben. Die Haupthindernisse für eine Rückkehr sind Sicherheitsbedenken, Besetzung des Gebiets, der fehlende Zugang zu einer funktionierenden Gesundheitsversorgung und der Mangel an Arbeits- und Lebensunterhaltsmöglichkeiten.
Kurzbesuche können helfen, fundierte Rückkehrentscheidungen zu treffen
Viele Flüchtlinge kehren kurzzeitig in die Ukraine zurück, hauptsächlich, um Familienangehörige zu besuchen, aber auch, um nach dem Rechten zu sehen. Wie in der UNHCR-Position zur freiwilligen Rückkehr in die Ukraine dargelegt, können solche Besuche letztlich dazu beitragen, Entscheidungen über eine längerfristige Rückkehr in voller Kenntnis der Sachlage zu treffen, sobald die Bedingungen dies erlauben.
UNHCR empfiehlt, bei kurzfristigen Aufenthalten von Flüchtlingen in der Ukraine flexibel vorzugehen und dafür zu sorgen, dass der Rechtsstatus von Flüchtlingen und die damit verbundenen Rechte in einem Aufnahmestaat nicht durch Aufenthalte von weniger als drei Monaten beeinträchtigt werden. Der Schutz und die Bedürfnisse der Flüchtlinge müssen gewährleistet sein, bis sie freiwillig und dauerhaft in Sicherheit und Würde nach Hause zurückkehren können.
Trotz grosser Solidarität in den letzten zwei Jahren ist Hilfe weiterhin notwendig
Solange der Krieg andauert, benötigen Flüchtlinge, Binnenvertriebene und vom Krieg betroffene Menschen, die in den Frontgebieten geblieben sind, dringend Unterstützung. Die Widerstandsfähigkeit der Menschen ist nach wie vor gross, und in vielen Gebieten sind die Wiederaufbaubemühungen bereits in vollem Gange, doch muss diese Unterstützung fortgesetzt werden, da sonst der Schutz und die Widerstandsfähigkeit der ukrainischen Bevölkerung in Frage gestellt werden.
UNHCR bittet um 993,3 Mio. USD – 599 Mio. USD für die Ukraine selbst und den Restbetrag für die Unterstützung der Flüchtlinge in den Aufnahmeländern. Der Finanzierungsstand für die UNHCR Programme in der Ukraine beträgt derzeit nur 13 Prozent. Wenn nicht rechtzeitig Mittel zur Verfügung stehen, könnte sich UNHCR gezwungen sehen, wichtige Aktivitäten in der Ukraine und in den Nachbarländern einzuschränken.
Die Menschen in der Ukraine, die täglich mit den Auswirkungen dieses Krieges leben, dürfen nicht vergessen werden. Die Solidarität mit der Ukraine und die Unterstützung für sie sind enorm, und diese dringend benötigte Hilfe darf jetzt nicht aufhören.