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Deutsch lernen und gleichzeitig Interessantes über Land und Leute erfahren. In einem Kurs der Flüchtlingshilfe Liechtenstein wird Flüchtlingen und Asylsuchenden das Ankommen erleichtert.
„Welches Gebäude thront über unserem Hauptort?“, fragt Siglinde in die Runde. „Das Schloss Vaduz“, hallt es ihr im Chor entgegen. Siglinde ist Leiterin des freiwilligen Sprach- und Sozialisierungskurses, welche die Flüchtlingshilfe Liechtenstein dreimal die Woche in ihren Räumlichkeiten für Flüchtlinge und Asylsuchende anbietet. Die Runde besteht aus zehn Teilnehmenden von den unterschiedlichsten Nationen. „Und wer wohnt in diesem Schloss?“, fragt sie wieder. Tashi, ein 32-jähriger Tibeter, der seit Juli letzten Jahres im Land ist, meldet sich zu Wort: „Der König!“. Sofort regt sich Widerstand. Einige Teilnehmende verbessern ihn und erinnern ihn daran, dass im Schloss Vaduz der Fürst residiert.
„Für diejenigen, die sich noch im Asylverfahren befinden, bietet der Kurs eine wichtige Möglichkeit, mit unserer Sprache und unserer Kultur, aber auch mit Gleichgesinnten wirklich in Kontakt zu kommen.“
Siglinde, die ehrenamtliche Kursleiterin
Seit drei Jahren bietet die Flüchtlingshilfe den Kurs an. „Für Teilnehmende, die den N-Status besitzen – deren Asylverfahren also noch läuft – ist er die einzige Möglichkeit, die Sprache zu lernen und zudem noch nützliche Informationen über ihr Aufnahmeland zu erfahren“, sagt Siglinde. Die 63-Jährige ist pensionierte Schulpädagogin und somit prädestiniert für diese Aufgabe, welche sie ehrenamtlich ausfüllt. Im Schnitt kommen 10 bis 20 Teilnehmende pro Kurs, unter ihnen auch einige, die bereits als Flüchtlinge anerkannt worden sind oder eine vorläufige Aufnahme besitzen. Sie kommen, um ihr Deutsch zu verbessern, um mehr über Liechtenstein zu erfahren oder einfach, um unter Leute zu kommen. Obwohl viele Integrationsmassnahmen erst nach der Erlangung eines positiven Asylentscheids vorgesehen sind, können solche frühzeitigen Initiativen für Neuankömmlinge eine Schlüsselrolle spielen. So können sie rasch an der Gesellschaft teilhaben und umso schneller für sich selbst sorgen. „Für diejenigen, die sich noch im Asylverfahren befinden, bietet der Kurs eine wichtige Möglichkeit, mit unserer Sprache und unserer Kultur, aber auch mit Gleichgesinnten wirklich in Kontakt zu kommen“, so Siglinde.
„Ich versuche so viel wie möglich, den Sprachunterricht in konkrete Szenen für den Alltag zu übersetzen oder ihn mit Informationen über Liechtenstein und unsere Gepflogenheiten zu verknüpfen“, erklärt sie ihre Methode. So lehrt sie den Teilnehmenden nicht nur, wie die verschiedenen Körperteile heissen, sondern auch, zu welchem Arzt sie mit welchen Beschwerden gehen können und wo sich deren Praxen befinden. Oft kommt es vor, dass sich die Flüchtlinge untereinander auf Deutsch Tipps geben, zum Beispiel bezüglich guter Einkaufsmöglichkeiten.
Nach Liechtenstein kommen jedes Jahr etwa 150 Asylsuchende. Das Verfahren ähnelt dem der Schweiz, auch wenn es ein paar Unterschiede gibt. So können Neuankömmlinge zum Beispiel ab dem ersten Tag einer Arbeit nachgehen. „Viele Flüchtlinge wissen Anfangs oft gar nicht, wo sie genau gelandet sind. Deshalb ist es umso wichtiger, ihnen so früh wie möglich zu vermitteln, wie sie hier klarkommen können“, ist sich Siglinde sicher. Ihr ist es wichtig, eine lockere Atmosphäre zu schaffen, in der viel gelacht wird. „Mit Druck komme ich bei den Teilnehmenden nicht weit. Viele haben nie richtig gelernt zu lernen. Hausaufgaben gebe ich deshalb keine. Es macht mir auch nichts aus, bestimmte Punkte mehrfach zu wiederholen. Geduld ist sehr wichtig“, betont sie.
„Zu viele Wörter ähneln sich. Ich verwechsle regelmässig ‚Ohr‘ und ‚Uhr‘ oder ‚Zeh‘ und ‚Zahn‘.»
Lobsang berichtet von seinen Deutsch-Schwierigkeiten
Tashi kommt seit ein paar Monaten in den Kurs. Hier hat er unter anderem auch zwei andere Flüchtlinge aus Tibet kennengelernt: den 25-jährigen Lobsang und die 33-jährige Choezom. Als sie nach Liechtenstein kamen, wussten sie nichts über das Land. Der Sprach- und Sozialisierungskurs hat ihnen geholfen, sich schnell einzuleben. „Ich fühle mich ein bisschen wie zu Hause. Wir sind hier von hohen Bergen umgeben, genau wie in Tibet. Zudem sind die Leute hier sehr freundlich und hilfsbereit“, freut sich Choezom. Lobsang geht es ähnlich, auch wenn er noch mit den vielen Eigenheiten der deutschen Sprache kämpft. „Zu viele Wörter ähneln sich. Ich verwechsle regelmässig ‚Ohr‘ und ‚Uhr‘ oder ‚Zeh‘ und ‚Zahn‘. Aber ich weiss wie wichtig es ist, die Sprache schnell zu lernen, um sich zu integrieren.“
Für die Kursleiterin ist das Projekt keine Einbahnstrasse. Immer wieder lässt sie die Teilnehmenden aus ihrem Land erzählen und sie zum Beispiel typische Speisen aus ihrer Heimat vorstellen – so dass auch sie stets ihren kulturellen Horizont erweitern kann.
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