Drei Jahre nach dem Tod von Alan Kurdi: Mittelmeerüberquerungen tödlicher denn je
Drei Jahre nach dem Tod von Alan Kurdi: Mittelmeerüberquerungen tödlicher denn je
Der UNHCR-Bericht „Desperate Journeys“ (auf Deutsch etwa „Verzweifelte Überfahrten“) zeigt ausserdem, dass die Gesamtzahl der nach Europa kommenden Menschen zwar drastisch zurückgegangen, die Zahl der Todesfälle aber gleich geblieben ist, gerade auf der zentralen Mittelmeerroute. Dort starb oder verschwand zwischen Januar und Juli 2018 jeder 18. Mensch, im gleichen Zeitraum 2017 endete die Überfahrt für jede 42. Person tödlich.
„Dieser Bericht bestätigt erneut, dass die Überquerung des Mittelmeeres eine der tödlichsten Passagen der Welt ist", sagte Pascale Moreau, Direktorin des UNHCR-Büros für Europa. „Die Zahl der Menschen, die an Europas Küsten ankommen, sinkt. Es stellt sich nunmehr nicht mehr die Frage, ob Europa die Ankunftszahlen bewältigen kann, sondern ob es sich menschlich genug zeigt, Leben zu retten.“
UNHCR hat gemeinsam mit der Internationalen Organisation für Migration IOM mehrfach einen transparenten, regionalen Mechanismus für die Rettung und Ausschiffung von in Seenot geratenen Menschen im Mittelmeer gefordert.
UNHCR ruft Europa ausserdem dazu auf, mehr sichere und legale Fluchtwege zu eröffnen. Solche Alternativen zu den Desperate Journeys sind zum Beispiel eine grössere Anzahl von Resettlement-Plätzen oder die Erleichterung der Familienzusammenführung.
Der Bericht skizziert auch die Gefahren, denen Flüchtlinge auf dem Landweg nach Europa und teilweise sogar in Europa selbst ausgesetzt sind. Vor dem Hintergrund der Massnahmen gegen Migranten und Flüchtlinge, die einige Länder ergriffen haben, fordert der Bericht Staaten dazu auf, Schutzsuchenden schnellen Zugang zu Asylverfahren zu gewähren und Mechanismen zum Schutz von unbegleiteten Kindern zu stärken.
Der Bestsellerautor und UNHCR-Botschafter Khaled Hosseini, selbst ein ehemaliger Flüchtling aus Afghanistan, hat anlässlich des dreijährigen Todestages von Alan Kurdi einen neuen Bildband veröffentlicht. „Sea Prayer" ist den Tausenden von Flüchtlingen auf der ganzen Welt gewidmet, die auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Verfolgung starben.
„Die schrecklichen Bilder des toten Alan Kurdi brachen mir das Herz", sagte Hosseini. „Und dennoch: Nur drei Jahre später und trotz Tausender weiterer Menschen, die ihr Leben auf See verloren, scheint unser kollektives Gedächtnis vergessen zu haben und der Druck, die Dinge zu verbessern, scheint gewichen."
Im Juni und Juli 2018 reiste Hosseini in den Libanon und nach Italien und sah, welch verheerende Folgen es für Familien hat, wenn sie Verwandte durch die Überfahrt nach Europa verlieren.
„In Sizilien besuchte ich einen einsamen, ungepflegten Friedhof voller namenloser Gräber von Menschen - darunter viele Kinder. Alle waren in den vergangenen Jahren auf der Flucht ertrunken, genau wie Alan", sagte Hosseini. „Jeder dieser Menschen ist jetzt nur noch eine Zahl in einer Statistik, ein Code auf einem Grab. Aber sie alle waren Männer, Frauen und Kinder, die von einer besseren Zukunft träumten. Drei Jahre nach Alans Tod ist es Zeit, mehr zu tun, um weitere Tragödien zu verhindern. Lasst uns unsere Freunde, Familien, Gemeinschaften und Regierungen wissen, dass wir Flüchtlingen zur Seite stehen."
Der vollständige Bericht ist abrufbar unter: http://www.unhcr.org/desperatejourneys
Weitere Information:
- Entlang der Mittelmeerroute gab es in diesem Jahr bisher zehn Zwischenfälle auf See, bei denen jeweils 50 oder mehr Menschen starben, die meisten davon nach der Abfahrt aus Libyen. Sieben dieser Vorfälle passierten seit Juni.
- Auf dem Seeweg von Nordafrika nach Spanien sind in diesem Jahr bereits mehr als 300 Menschen ums Leben gekommen, ein deutlicher Anstieg gegenüber 2017, als im gesamten Jahr 200 Tote zu verzeichnen waren.
- Im April dieses Jahres, als mehr als 1.200 Menschen auf dem Seeweg Spanien erreichten, stieg das Todesrisiko auf ein Rekordhoch: jeder 14. Mensch starb
- Mehr als 78 Todesfälle von Flüchtlingen und Migranten wurden bisher entlang der Landwege in Europa oder an den Grenzen Europas verzeichnet – ein drastischer Anstieg zu 45 Opfern im gleichen Zeitraum des Vorjahres.