Flüchtlinge und Asylsuchende helfen bei der Wiener Tafel mit
Flüchtlinge und Asylsuchende helfen bei der Wiener Tafel mit
„Wir sind froh, unsere Zeit für etwas Gutes zu verwenden“, sagt Ali Majid Abdul Razzaq Al Khalid (32). Er ist ausgebildeter Tierarzt und stammt aus Diyala im östlichen Irak. „Es gibt arme Flüchtlinge, aber auch arme Österreicher, die auf der Strasse leben. Es war ein Schock für uns, das zu sehen, als wir hierher kamen – arme Menschen in Europa zu sehen, in einem vermeintlich reichen Land.“
Während Ali und sein Freund Rozh Aloi (39), ein ehemaliger Marketingmanager aus Bagdad, auf das Ergebnis ihres Asylverfahrens warten, engagieren sie sich ehrenamtlich bei der Wiener Tafel. Bei der ältesten Tafel Österreichs sammelt eine kleine Gruppe von MitarbeiterInnen zusammen mit 400 Ehrenamtlichen Lebensmittel, die ansonsten weggeworfen würden. Sie liefern die Waren an nahezu 20.000 Menschen in Unterkünften und Wohnungen, die von 120 verschiedenen Hilfsorganisationen betrieben werden.
„Wir sind froh, unsere Zeit für etwas Gutes zu verwenden.“
„Es ist eine win-win-win Situation“, sagt Karl-Anton Goertz, der Spenden und Lebensmittel für die Wiener Tafel sammelt. „Die Umwelt wird entlastet, die Lebensmittelindustrie spart Entsorgungskosten und es kommt den Bedürftigen zugute.“
Für die geflüchteten Freiwilligen sei es ein „schönes Geben und Nehmen“, sagt Karl-Anton. Sie verbessern ihr Deutsch, helfen mit und beteiligen sich an Kochtreffen mit ÖsterreicherInnen.
Aus hygienischen Gründen nimmt die Wiener Tafel kein gekochtes Essen aus Restaurants an, sondern nur verpackte oder frische Lebensmittel von Supermärkten und Märkten. Heute wurden einige riesige Kürbisse vom Grossgrünmarkt geliefert, darum schneiden die Ehrenamtlichen sie auf und wickeln die Stücke in Frischhaltefolie.
Ali und Rozh aus dem Irak engagieren sich ehrenamtlich bei der Essensausgabe, wo gespendete Lebensmittel an Bedürftige verteilt werden © UNHCR/Andras D Hajdu
„Niemand verhungert in Österreich“, sagt Karl-Anton. „Aber Armut bedeutet auch, nicht vollständig am Leben teilnehmen zu können – nicht wählen zu können, was man gerne essen würde. Wir möchten nicht nur eine bessere Ernährung fördern, sondern den Menschen auch mehr Auswahl bieten.“
Die Hilfsorganisationen, die Obdachlose, alleinerziehende Mütter, Drogenabhängige und teils Asylsuchende unterstützen, nehmen gerne jede Menge Kartoffeln. Für Luxusartikel wie Schokolade sind sie aber auch sehr dankbar. Beispielsweise stossen nach Festen wie Weihnachten Schoko-Weihnachtsmänner, die sich nicht mehr verkaufen, auf grosse Freude.
Im Laufe des Tages sortiert Ali Cherry-Tomaten im Lagerhaus der Wiener Tafel, während Rozh Kisten zu einem Laster trägt, der draussen parkt. 2015 sind die beiden Freunde getrennt voneinander in Österreich angekommen und haben sich in Wien getroffen. Ali ist verheiratet und hat eine vier Jahre alte Tochter, während der geschiedene Rozh alleine hier ist.
„Ich komme jeden Tag hierher zum Arbeiten“, sagt Rozh. „Die Wiener Tafel ist wie eine Familie für mich.“
„Die Wiener Tafel ist wie eine Familie für mich.“
Die Wiener Tafel ist eine Lebensader für Organisationen wie das Ute Bock Haus, eine private Unterkunft für Asylsuchende in Wien. „Wir hoffen auf ein paar Süssigkeiten für die Kinder, aber wir nehmen alles, was wir bekommen können“, sagt Natia Karkadze, eine Leiterin der Unterkunft. Im Lagerhaus belädt sie einen weissen Lieferwagen zusammen mit Maximilian Scheiblhofer (19). Anstatt seinen Wehrdienst zu absolvieren, macht er ein freiwilliges Sozialjahr.
Später im Ute Bock Haus werden die meisten Lebensmittel zuerst in eine Vorratskammer gebracht und erst verteilt, wenn alle BewohnerInnen zu Hause sind. Für das Mittagessen werden Brot, Radieschen, Paprika und Pilze auf einer Bank ausgelegt, von der sich alle BewohnerInnen bedienen können.
Einige BewohnerInnen kochen in der Gemeinschaftsküche der Unterkunft. Für ein Bohnengericht brät Zura aus Tschetschenien Zwiebeln an, während Lamin aus Gambia eine Suppe kocht. Fatima, eine Palästinenserin aus Jordanien, peppt ihre Familienpizza mit einer grünen Paprika auf.
Alle am Tischen geniessen Wohlgeschmack und Stärkung von einem noch viel grösseren Tisch – der Wiener Tafel und frei nach einem Motto „Teilen macht Sinn.“