Schwere Kampfhandlungen in Ost-Ghouta zwingen weitere tausende Zivilisten zur Flucht
Schwere Kampfhandlungen in Ost-Ghouta zwingen weitere tausende Zivilisten zur Flucht
GENF, Schweiz – UNHCR ist wegen der sich weiter verschärfenden humanitären Krise in Syrien außerordentlich besorgt. Schwere Kampfhandlungen in Ost-Ghouta sowie um Damaskus und Afrin im Nordwesten des Landes haben weitere tausende Zivilisten zur Flucht gezwungen.
Allein in Ost-Ghouta mussten in den letzten Tagen mehr als 45.000 Menschen ihre Häuser verlassen. Vor Ort leistet UNHCR bereits dringend benötigte Hilfe, dennoch erneuern wir heute unseren Aufruf, sowohl die jüngst zur Flucht Gezwungenen als auch diejenigen hunderttausenden Zivilisten zu schützen, die noch immer zwischen den Fronten eingeschlossen und dringend auf Hilfe angewiesen sind.
UNHCR ist nicht Teil des aktuellen Evakuierungsabkommens noch seiner Umsetzung. Dennoch waren unsere Teams vor Ort, als tausende Familien, ausgehungert, durstig, krank und mit ihrem letzten Besitz am Leib seit der jüngsten Gewalteskalation aus Ost-Ghouta in die provisorischen Camps kamen. Und es werden jeden Tag mehr.
Aktuell werden die Menschen in Dweir, in Schulen in Adra, im Eletrizitätswerk Adra, in Herjelleh, Najha, Nashabiya und Khirbet al Ward untergebracht, unter miserablen Bedingungen. Nach Berichten unserer Kollegen fehlt es an allem und der Hilfsbedarf wird immer größer, außerdem bestehen unterschiedlichste Gesundheitsrisiken.
Alle Notunterkünfte sind überlastet, es fehlt an grundlegenden sanitären Einrichtungen. Menschen stehen stundenlang Schlange, um die Toilette benutzen zu können. UNHCR und seine Partnerorganisationen arbeiten Tag und Nacht an der Verteilung von lebensnotwendiger Unterstützung. Dies geschieht insbesondere in enger Zusammenarbeit mit dem Syrischen Arabischen Roten Kreuz (SARC), UN-Agenturen und humanitären Akteuren.
UNHCR-Partnerorganisationen registrieren Personen ohne oder mit lückenhaften Ausweispapieren, besonders Neugeborene. Das geschieht, um effektiven Schutz zu gewährleisten und Schwierigkeiten mit den Syrischen Behörden zu vermeiden.
Bisher haben wir 180.000 Hilfsgüter verteilt (Matratzen, Decken, Thermodecken, Kunststoffplanen, Winterkleidung, Solarlampen, Kanister und Küchensets). In einigen Gemeinschaftsunterkünften werden die Decken dafür genutzt, in den offenen Schulhöfen ein klein wenig Privatsphäre zu schaffen, aber natürlich auch, um Familien tagsüber vor direkten Sonnenstrahlen und in der Nacht vor Kälte zu schützen.
Der Mangel an Plätzen in Notunterkünften gibt Anlass zu großer Sorge und wir bemühen uns um Alternativen. Mehr als 2.200 Bausätze für Notunterkünfte haben wir SARC bereits zur Verfügung gestellt, um veranschlagte Flächen bewohnbar zu machen. Eine Lieferung von etwa 800 UNHCR Familienzelten wird Damaskus innerhalb der nächsten 48 Stunden erreichen, weitere sind auf dem Weg. Um alle Menschen versorgen zu können, die derzeit noch unter freiem Himmel schlafen müssen, sollen übergangsweise auch große Gruppenzelte eingesetzt werden.
Um die dringenden Bedürfnisse der Menschen befriedigen zu können, muss unbedingt ein umfassender und uneingeschränkter humanitärer Zugang nach Ost-Ghouta und in die umliegenden Gebiete gewährleistet werden.
Ebenso wichtig ist es, dass das Bürgerrecht auf Bewegungsfreiheit respektiert wird und die Menschen selbst entscheiden dürfen, wo sie sich sicher fühlen. Es muss ihnen erlaubt und garantiert sein, zu wählen, ob sie in Ost-Ghouta bleiben oder anderswo Schutz suchen wollen. UNHCR ist bekannt, dass Zivilisten Berichten zufolge sicherheitsüberprüft werden, wenn sie Ost-Ghouta verlassen, UNHCR hat zu diesen Prozessen jedoch keinerlei Zugang. Wir rufen alle Parteien dazu auf, in und um Ost-Ghouta internationales humanitäres Völkerrecht zu respektieren, sowohl was diejenigen Menschen anbelangt, die Ost-Ghouta verlassen, als auch diejenigen, die dort bleiben.
Gleichzeitig spielt sich im Nordwesten Syriens eine weitere Katastrophe ab. 104.000 Menschen sind in der Region Afrin durch die jüngsten Kampfhandlungen aus ihren Häusern vertrieben worden. Der Großteil von ihnen, etwa 75.000, befinden sich nun als Binnenvertriebene in Tal Rifaat, weitere 29.000 haben in Nubol und Zahraa und den umliegenden Dörfern im ländlichen Aleppo Zuflucht gesucht. Zusätzlich sind Berichten zufolge etwa 10.000 Menschen in Az-Ziyara gestrandet. Sie versuchen dort erfolglos, in von der syrischen Regierung kontrollierte Gebiete überzutreten.
Einem UNHCR-Team vor Ort in Nubol wurde gestern von ihrem strapaziösen Weg berichtet, von stundenlangen Fußmärschen durch die Berge. Das Team wurde außerdem Zeuge der Zustände, in den überfüllten Moscheen und Schulen, in denen die Menschen aus Afrin momentan untergebracht sind.
Angesichts der sich verschärfenden Krise in Afrin verstärkt UNHCR seinen dortigen Einsatz. Über 100.000 Hilfsgüter wurden in den letzten zwei Tagen in die Region geliefert, darunter Matratzen, Decken, Solarlampen und Decken. Darüber hinaus ist eine Lieferung von 1.100 Bausätzen für Notunterkünfte auf dem Weg, und in den kommenden Tagen werden 1.000 Zelte nach Tal Rifaat gebracht.
Genau wie in Ost-Ghouta ist die Bewegungsfreiheit für die Menschen auf der Flucht von besonderer Wichtigkeit. Wir bestehen darauf, dass den Menschen die sichere und unverzügliche Weiterfahrt dorthin möglich ist, wo sie Verwandte oder Freunde haben.