Studie zu komplementären Zugangswegen – UNHCR betont Bedarf für weitere Verbesserungen
Studie zu komplementären Zugangswegen – UNHCR betont Bedarf für weitere Verbesserungen
Angesichts der hohen Zahl von weltweit mehr als 100 Millionen Vertriebenen ist der Bedarf an Resettlement und anderen regulären Zugangswegen für Flüchtlinge gestiegen. Die zur Verfügung gestellten Resettlement-Plätze können diesen Bedarf bei Weitem nicht decken. Es ist daher wichtig, dass bestehende Resettlement-Programme gestärkt, erweitert und nachhaltiger werden. Darüber hinaus gehört die Schaffung komplementärer Zugangswege zu den Kernzielen des Globalen Paktes für Flüchtlinge und der darauf basierenden UNHCR- Strategie.
Wertvoller Beitrag für fundierte Diskussion über reguläre Zugangswege
UNHCR begrüsste den Beschluss des Schweizer Bundesrats im Rahmen des Umsetzungskonzepts Resettlement, die rechtlichen Grundlagen sowie die Erfahrungen anderer Staaten bei komplementären Zugangswegen für Geflüchtete und Vertriebene zu prüfen. Mit der heute publizierten Analyse des SEM liegt erstmals eine umfassende Übersicht aller existierenden regulären Zugangswege in die Schweiz vor. Die Analyse enthält zudem eine erste Prüfung des verschiedentlich geforderten Einbezugs der Schweizer Städte und Gemeinden in solche Programme.
UNHCR ist erfreut über das Ergebnis der Studie, dass die Schweiz heute bereits unterschiedliche legale Zugangswege für Flüchtlinge offenhält und dass sie „ein stärkeres Engagement von zivilgesellschaftlichen Akteuren oder Städten, angelehnt an die «Community Sponsorship Programme» anderer Staaten grundsätzlich für vorstellbar hält“. Damit liefert die Studie einen wichtigen Beitrag, um die weiterhin notwendige Diskussion über reguläre Zugangswege in die Schweiz weiterzuführen.
Bestehende Schwierigkeiten und innovative Lösungsansätze kommen zu kurz
Allerdings legt die Studie nahe, dass die existierenden Zugangswege heute bereits ausreichend seien. Dies entspricht nicht den Beobachtungen von UNHCR und anderer Expertinnen und Experten.
Ein zu positives Bild entsteht unter anderem dadurch, dass bestehende Schwierigkeiten nicht oder nicht genügend dargestellt werden. So mangelt es bei der Untersuchung des humanitären Visums an einer umfassenden Analyse der Konsequenzen der hohen gesetzlichen Hürden sowie der restriktiven Anwendungspraxis. Auch die beträchtlichen praktischen Hindernisse, wie zum Beispiel Schwierigkeiten beim Zugang zu Schweizer Botschaften in Krisengebieten oder bei der Vorlage von Dokumenten, werden nicht thematisiert.
Bei der Familienzusammenführung hält UNHCR die Auseinandersetzung mit den gesetzlichen Hürden, insbesondere für Personen mit Vorläufiger Aufnahme, mit der restriktiven Anwendungspraxis sowie mit den vielfältigen realen Hindernissen für nicht ausreichend. Diese führen in nicht wenigen Fällen dazu, dass Flüchtlingsfamilien dauerhaft getrennt bleiben und ihr Menschenrecht auf Familienleben nicht wahrnehmen können.
Schliesslich empfiehlt UNHCR, bei der Untersuchung migrationsrechtlicher Instrumente wie Visa für Aus- und Weiterbildung und Arbeitsaufnahme, künftig die besondere Situation von Flüchtlingen ausdrücklich miteinzubeziehen. Bei diesen Zugangswegen handelt es sich zwar um migrationspolitische, nicht flüchtlingsrechtliche Instrumente. Dennoch könnten sie helfen, Flüchtlingen einen besseren Zugang zu dauerhaften Lösungen zu geben, sofern bestehende Hindernisse angegangen werden.
Ähnliches trifft zu für das Community Sponsorship mit Beteiligung von Städten, Gemeinden und/oder der Zivilgesellschaft. UNHCR begrüsst ausdrücklich, dass sich die Studie mit Community Sponsorship-Programmen auseinandersetzt und bestehende Beispiele aus dem Ausland aufgreift. UNHCR kann jedoch die Schlussfolgerung, dass in der Schweiz hierfür erst noch die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden müssten, nicht nachvollziehen. Das Beispiel der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge aus Moldawien durch die Allianz „Städte und Gemeinden für die Aufnahme von Flüchtlingen“ zeigt, dass solche Modelle möglich sind, wenn alle staatlichen Akteure bei Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden zusammenarbeiten.
Der Analyse fehlt sodann eine detailliertere Auseinandersetzung mit Community Sponsorship-Programmen unter zivilgesellschaftlicher Beteiligung – obwohl sie auf eine entsprechende OECD/UNHCR-Studie hinweist. Die dort vorgestellten Beispiele aus anderen Staaten, so die SEM-Analyse, zeichneten sich „durch das vielgestaltige Engagement von zivilgesellschaftlichen Akteuren“ aus und „durch neue Modelle und Formate der Zusammenarbeit von staatlichen und privaten Akteuren …, von denen nicht nur die Neuankommenden profitieren können“.
UNHCR ermutigt die Schweiz, bestehende Zugangswege für Flüchtlinge besser zugänglich zu machen. Wichtig sind weiterhin innovative Ansätze, gestützt auf Best Practice-Beispiele aus anderen Staaten, um das begrüssenswerte Engagement von Städten, Gemeinden und Zivilgesellschaft zu nutzen. Die Wirksamkeit solcher Ansätze könnte beispielsweise im Rahmen eines Pilotprojektes getestet werden.
Stellungnahme des UNHCR zur SEM-Analyse «Komplementäre Zugangswege in die Schweiz».
Mehr Information in der UNHCR Broschüre Resettlement und komplementäre Zugangswege.
Medienkontakt UNHCR Schweiz und Liechtenstein