Close sites icon close
Search form

Nach einer Länderseite suchen.

Länderprofil

Länderseiten

Überprüfung der Mobiltelefone Asylsuchender: UNHCR sieht Recht auf Privatsphäre gefährdet

Medienmitteilungen

Überprüfung der Mobiltelefone Asylsuchender: UNHCR sieht Recht auf Privatsphäre gefährdet

4 Juni 2020 Auch verfügbar auf:
UNHCR ist der Ansicht, dass der umfassende Zugriff auf Mobiltelefone ein weitreichender Eingriff in das völkerrechtlich sowie durch die Bundesverfassung geschützte Recht auf Privatsphäre ist. ©UNHCR/Mohamed Alalem

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) soll künftig die Handys von Asylsuchenden auswerten dürfen, um deren Identität zu überprüfen. Das schlägt die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) vor. UNHCR sieht darin einen schwerwiegenden Eingriff in die menschenrechtlich geschützte Privatsphäre. Die UN-Flüchtlingsorganisation bezweifelt, dass ein solcher Eingriff verhältnismässig ist, hält aber auf jeden Fall Schutzmechanismen für erforderlich.

Grundsätzlich erkennt UNHCR das Interesse von Staaten an, Personen auf ihrem Hoheitsgebiet zu identifizieren. Der umfassende Zugriff auf persönliche Informationen ist jedoch ein weitreichender Eingriff in das völkerrechtlich sowie durch die Bundesverfassung geschützte Recht auf Privatsphäre. Ein solcher Eingriff ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Diese fehlen aus Sicht von UNHCR im geplanten Gesetz.

Selbst in Strafverfahren ist die Auswertung von Mobiltelefonen restriktiv geregelt. Bei Asylsuchenden dagegen könnten die Behörden auf sämtliche Daten zugreifen – auf Fotos von Freunden, Nachrichten an Partnerinnen oder vergangene Aufenthaltsorte. Das Recht auf Privatsphäre würde damit für eine bestimmte Gruppe von Menschen – jene der Asylsuchenden – erheblich beeinträchtigt.

Geeignet und verhältnismässig?

Für UNHCR stellt sich auch die Frage, ob das Überprüfen von Mobiltelefonen überhaupt ein geeignetes Mittel zur Feststellung der Identität, der Nationalität und des Reisewegs der betroffenen Personen ist. Handys können bei einer Flucht über einen langen Zeitraum von mehreren Personen verwendet werden, auch von Schleppern. Dies kann eine Zuordnung der Daten zu einer Person erschweren. Ferner können elektronische Beweismittel leicht verändert oder vernichtet werden. Evaluationen in Deutschland haben zudem gezeigt, dass der Nutzen im Verhältnis zum Aufwand der Datenauswertungen eher gering war.

Nach Auffassung von UNHCR bestehen auch Zweifel, ob die vorgeschlagenen Massnahmen verhältnismässig wären. Zum einen ist nicht genügend sichergestellt, dass sie nur als allerletzte Möglichkeit zum Einsatz kommen, wenn mildere Mittel fehlen. Zum anderen sind die Zugriffsmöglichkeiten sehr weitgehend. So ist keine ausreichende Aussonderung von Informationen vorgesehen, die für die Identitätsfeststellung nicht notwendig sind oder unbeteiligte Dritte betreffen. UNHCR empfiehlt, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens sorgfältig zu prüfen, ob die vorgeschlagene Massnahme tatsächlich ein geeignetes und verhältnismässiges Mittel darstellt.

Detaillierte Regeln

Hält die SPK-N an ihren Plänen fest, empfiehlt UNHCR eine Reihe von Änderungen und Präzisierungen. So sollte die Bearbeitung von Personendaten einer Genehmigungspflicht unterstellt werden. Ein unabhängiges Aufsichtsgremium sollte die Menschenrechtskonformität und die Anwendung der Massnahmen im Einzelfall prüfen.

Weiter sollte im Gesetz umfassend und detailliert geregelt werden, welche Daten die Behörden in welchen Fällen bearbeiten dürfen. Angesichts der grundlegenden menschen-, verfassungs- und datenschutzrechtlichen Bedenken würde es UNHCR für sinnvoll erachten, den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten in die Ausarbeitung der Vorlage einzubeziehen und diese einer umfassenden menschenrechtlichen und verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen

UNHCR nimmt im Rahmen der Vernehmlassung Stellung zum Gesetzesprojekt der SPK-N, das auf eine parlamentarische Initiative von SVP-Nationalrat Gregor Rutz zurückgeht.

Die ausführliche Stellungnahme finden Sie in der Beilage.

UNHCR Schweiz und Liechtenstein

Medienkontakt