Überprüfung der Mobiltelefone Asylsuchender: UNHCR sieht weiterhin das Recht auf Privatsphäre gefährdet
Überprüfung der Mobiltelefone Asylsuchender: UNHCR sieht weiterhin das Recht auf Privatsphäre gefährdet
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) soll künftig die Handys von Asylsuchenden auswerten dürfen, um deren Identität zu überprüfen. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) hat eine entsprechende Gesetzesvorlage ausgearbeitet. Nach dem Vernehmlassungsverfahren hat sie diese angepasst. UNHCR begrüsst, dass sie dabei einige Empfehlungen aufgenommen und Verbesserungen eingebaut hat. Die Gefahr eines unzulässigen Eingriffs in Menschenrechte besteht aber weiterhin.
Grundsätzlich erkennt UNHCR das Interesse von Staaten an, Personen auf ihrem Hoheitsgebiet zu identifizieren. Der umfassende Zugriff auf persönliche Informationen ist jedoch ein weitreichender Eingriff in das völkerrechtlich sowie durch die Bundesverfassung geschützte Recht auf Privatsphäre. Ein solcher Eingriff ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Aus Sicht von UNHCR erfüllt der Gesetzesentwurf diese Anforderungen nicht.
Fehlende Schranken
Selbst in Strafverfahren ist die Auswertung von Mobiltelefonen restriktiv geregelt. Bei Asylsuchenden dagegen könnten die Behörden mit den vorgesehenen Regeln auf sämtliche Daten zugreifen – auf Fotos von Freunden, Nachrichten an Partnerinnen oder vergangene Aufenthaltsorte. Das Recht auf Privatsphäre würde damit für eine bestimmte Gruppe von Menschen – jene der Asylsuchenden – erheblich beeinträchtigt.
UNHCR empfiehlt dem Parlament, im Gesetzgebungsverfahren detailliertere Bestimmungen zu erlassen, um zu verhindern, dass es zu ungerechtfertigten und damit unzulässigen Eingriffen in die Privatsphäre kommt. So sollte im Gesetz verankert werden, dass mildere Massnahmen Vorrang haben. Weiter sollte präzise geregelt werden, welche Daten erhoben werden dürfen und wer Zugriff darauf hat.
Zu begrüssen ist, dass die Kommission der Verhältnismässigkeit Rechnung tragen will. Sie hat nach der Vernehmlassung eine Ergänzung angebracht: Das SEM muss in jedem Einzelfall die Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit der Massnahme prüfen. Aus Sicht von UNHCR reicht dies allerdings nicht. Nötig wäre ein unabhängiges Aufsichtsgremium, welches die Notwendigkeit der Massnahme in Einzelfall bestätigt. So wird dies auch bei Eingriffen in Menschenrechte bei strafrechtlichen Ermittlungen gehandhabt. Schliesslich empfiehlt UNHCR eine richterliche oder zumindest administrative Überprüfbarkeit: Wer sein Mobiltelefon aushändigen muss, sollte die Massnahme unverzüglich anfechten können.
Geeignet und wirksam?
Für UNHCR stellt sich auch die Frage, ob das Überprüfen von Mobiltelefonen überhaupt ein geeignetes Mittel zur Feststellung der Identität, der Nationalität und des Reisewegs der betroffenen Personen ist. Handys können bei einer Flucht über einen langen Zeitraum von mehreren Personen verwendet werden, auch von Schleppern. Dies kann eine Zuordnung der Daten zu einer Person erschweren. Ferner können elektronische Beweismittel leicht verändert oder vernichtet werden. Evaluationen in Deutschland haben zudem gezeigt, dass der Nutzen im Verhältnis zum Aufwand der Datenauswertungen eher gering war.
UNHCR hatte im Rahmen der Vernehmlassung empfohlen, den Gesetzesentwurf einer umfassenden Prüfung der völker- und verfassungsrechtlichen Konformität zu unterziehen und den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragen in die Ausarbeitung der Gesetzesvorlage einzubeziehen. Dass dies nicht erfolgt ist, ist bedauerlich.
Die ausführliche Stellungnahme finden Sie hier.
UNHCR Schweiz und Liechtenstein
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