Um sexuelle Übergriffe zu verhindern sowie gezielt dagegen vorzugehen, ergreift UNHCR folgende Maßnahmen:
- Prävention und Aufmerksamkeit für das Thema
- Opfer ermutigen, sich zu äußern
- Ermittlungen und Disziplinarmaßnahmen
- Zusammenarbeit mit Partner*innen
1. Prävention und Aufmerksamkeit für das Thema
UNHCR arbeitet konsequent daran, Gefahren des sexuellen Missbrauchs, der Ausbeutung und der Belästigung bei all seinen Einsätzen zu identifizieren und zu verringern.
Um sexuelle Übergriffe zu verhindern, ist es erforderlich, dass wir auf die Werte und Einstellungen achten, die unserem Verhalten zugrunde liegen, sowie auf die Strukturen oder Systeme, die dieses Verhalten unterstützen oder verstärken.
Im Jahr 2002 haben wir einen UNHCR-Verhaltenskodex eingeführt, den alle Mitarbeiter*innen unterschreiben müssen. Jährlich findet ein Auffrischungstraining statt, wobei der Schwerpunkt auf unseren Werten, Inklusion und Diversität liegt.
Außerdem gibt es zwei Online-Kurse zur Prävention von sexueller Ausbeutung, Missbrauch und Belästigung, die ebenfalls für alle Mitarbeiter*innen verpflichtend sind. Alle UNHCR-Management-Trainings beinhalten außerdem Komponenten zum Aufbau eines inklusiven und respektvollen Arbeitsklimas mit spezifischen Modulen zur Prävention von sexuellem Fehlverhalten.
Wir verfügen über ein weltweites Netzwerk von über 300 Mitarbeiter*innen, die vor Ort besondere Aufgaben in Bezug auf Prävention wahrnehmen und z. B. Trainings und Sensibilisierungsmaßnahmen durchführen sowie Partnerorganisationen einbinden. Wir sind davon überzeugt, dass ihre Präsenz auch bei der Identifizierung und Unterstützung von Opfern wichtig ist.
2. Opfer ermutigen, sich zu äußern
Wir sind uns der enormen Schwierigkeiten bewusst, denen Opfer von sexueller Ausbeutung, sexuellem Missbrauch oder sexueller Belästigung gegenüberstehen, wenn sie die Übergriffe anzeigen oder mitteilen. Auch berufliche und persönliche Bedenken und Ängste können sie daran hindern.
Wir sind bemüht, auf diese Bedenken einzugehen, indem wir sicherstellen, dass die Meldeverfahren bekannt, leicht zugänglich und vertraulich sind, und dass sich die Opfer, die sexuelle Übergriffe melden, sicher und geschützt fühlen.
Um dies zu erreichen, stellen wir die Rechte und den Schutz der Opfer in den Mittelpunkt unseres Handelns. Zu den Maßnahmen zählen eine Stärkung der Opferrechte, eine bessere medizinische und psychologische Unterstützung, die Verbesserung unserer Leitlinien und die Entwicklung zusätzlicher Schutzmaßnahmen für jene, die von Missbrauch betroffen waren oder Zeug*innen davon wurden.
Wir verbessern auch die Verfahren, um sicherzustellen, dass alle Fälle von sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch gemeldet werden, wobei wir auf eine Vielzahl von Beschwerdemöglichkeiten, einschliesslich persönlicher Kontaktaufnahme, Mobilfunktechnologie und Anrufzentralen, zurückgreifen.
Mitteilungen unseres Hochkommissars und anderer leitender Führungskräfte an unsere Belegschaft haben die Opfer immer wieder ermutigt, sich zu äußern. Die Mitteilungen betonten die Pflicht aller Kolleg*innen, von Situationen oder Interaktionen zu berichten, die Anlass zu der Befürchtung geben können, dass sexuelle Ausbeutung oder Missbrauch stattfindet.
Informationen über eingeleitete disziplinarische Verfahren werden an alle Kolleg*innen weitergegeben. Wir sind fest davon überzeugt, dass diese Informationen zusammen mit einer konsequenten Weiterverfolgung der Vorwürfe dazu beitragen, Vertrauen in dieses System zu schaffen und unser Verantwortungsbewusstsein zu zeigen.
Wir aktualisieren derzeit unsere Richtlinien zum Schutz von Hinweisgeber*innen und Überlebenden, um sie mit dem Bericht des Generalsekretärs über den Schutz vor Vergeltung in Einklang zu bringen. Dieser soll sicherstellen, dass Kolleg*innen durch das Anzeigen von Fehlverhalten oder aufgrund einer Zusammenarbeit bei einer offiziellen Untersuchung oder Ermittlung keine Nachteile erfahren.
Wir bauen auch den Überlebenden- und Zeug*innenschutz aus, den wir in bestimmten Kontexten, in denen wir arbeiten, als schwierig empfinden. Psychosoziale und medizinische Unterstützung sowie Maßnahmen zur Wiedereingliederung in die Gemeinschaft werden bereitgestellt.
3. Ermittlungen und Disziplinarmaßnahmen
In den letzten Jahren haben wir die Kapazitäten und das Fachwissen unserer Ermittlungs- und Disziplinarverfahren gestärkt, um eine rechtzeitige und effektive Behandlung von Fällen sexuellen Fehlverhaltens sicherzustellen und unserer Verantwortung gerecht zu werden. Fälle von sexuellem Fehlverhalten werden sowohl im Ermittlungs- als auch im Disziplinarverfahren vorrangig behandelt.
Das UNHCR-Büro des Generalinspektors (IGO) ist eine unabhängige interne Stelle, die für die Untersuchung von Vorwürfen wegen Fehlverhaltens zuständig ist, an denen Personen oder Einrichtungen beteiligt sind, die eine direkte vertragliche Verbindung zu UNHCR haben.
IGO besteht aus professionellen Ermittler*innen, einschließlich leitender weiblicher Ermittlerinnen, die alle über Vorerfahrungen bei der Polizei oder beim Militär verfügen bzw. für internationale Tribunale oder in ähnlichen Funktionen für andere internationale Organisationen gearbeitet haben. Die Ermittler*innen werden spezifisch geschult, wie sie mit Fällen von sexueller Ausbeutung und Missbrauch sowie sexueller Belästigung umgehen müssen.
Das IGO bietet auch Schulungen für unsere Einsatzteams an, um das Bewusstsein für die dortigen Abläufe zu schärfen, das Vertrauen in das System zu stärken und Best-Practice-Beispiele auszutauschen. Ebenso werden Schulungen für unsere Partner*innen zum Thema sexuelles Fehlverhalten angeboten.
UNHCR verfügt auch über ein spezialisiertes Team von professionellen Anwält*innen in seinem juristischen Dienst, darunter Spezialist*innen für Arbeitsrecht, die über Erfahrung im Umgang mit Fällen von sexuellem Fehlverhalten verfügen.
Im Jahr 2019 gingen bei UNHCR 121 Anzeigen von MitarbeiterInnen oder PartnerInnen von UNHCR und anderen vertraglich gebundenen Einrichtungen ein, deren Beweislage für eine Untersuchung wegen sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauchs ausreichend war.
Von den 121 Anschuldigungen betrafen 23 MitarbeiterInnen von UNHCR (19 %) und 98 überwiegend MitarbeiterInnen von PartnerorganisationenPartnerInnen, die Programme von UNHCR umsetzen (81%).
Wir haben im Vergleich zum Vorjahr einen leichten Anstieg der Zahl der Fälle sexueller Belästigung festgestellt. Dieser betraf Partnerorganisationen. Die Zahl der Beschwerden gegen UNHCR-MitarbeiterInnen ging zurück. Wir glauben, dass die Tatsache, dass immer mehr Personen potenzielle Verstösse melden, ein Zeichen für das zunehmende Vertrauen in unser System ist. Dieses bautdarauf auf, dass Vorwürfe mit der nötigen Ernsthaftigkeit behandelt und gründlich untersucht werden – und dass die TäterInnen zur Verantwortung gezogen werden.
Wenn sich Verdachtsfälle erhärten, wird das Dienstverhältnis von UNHCR-MitarbeiterInnen, die sexuelle Ausbeutung und sexuellen Missbrauch begangen haben, im Einklang mit unserer Null-Toleranz-Politik, beendet. Auch bei sexueller Belästigung erfolgt in der Regel eine Beendigung des Dienstverhältnisses. In beiden Fällen erfolgt ein Verbot der Wiedereinstellung.
Zwei Untersuchungen des IGO wegen sexueller Belästigung von UNHCR-MitarbeiterInnen, die sich als begründet erwiesen, wurden 2019 abgeschlossen. Entsprechende Disziplinarmassnahmen sind hängig. Aktuell laufen 9 Untersuchungen, und weitere 9 werden geprüft.
Wir arbeiten eng mit dem Büro für Rechtsangelegenheiten der Vereinten Nationen in New York zusammen, um sicherzustellen, dass stichhaltige Berichte über sexuelles Fehlverhalten, das strafrechtlich relevant sein könnte, an die nationalen Behörden zur Strafverfolgung weitergeleitet werden. Die Vereinten Nationen arbeiten systematisch mit den nationalen Behörden zusammen, auch durch Aufhebung der Immunität von UN-Personal. Sowohl wir als auch das Büro für Rechtsangelegenheiten der Vereinten Nationen verfolgen regelmäßig den Status der an die nationalen Behörden verwiesenen Fälle.
Wir haben sowohl intern als auch durch organisationsübergreifende Initiativen eine Reihe von Maßnahmen zur Sicherheitsüberprüfung und Referenzkontrolle ergriffen, um sicherzustellen, dass die Täter*innen nicht von einer Organisation zur anderen wechseln.
UNHCR überprüft systematisch Referenzen und verlangt von Bewerber*innen offizielle Aussagen, ob jemals gegen den*die Betreffende ermittelt wurde. Dies ermöglicht uns eine rasche Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Fällen, in denen sich die Behauptung später als unwahr erweist.
Wir verfügen auch über eine interne Datenbank mit sämtlichen Disziplinarmaßnahmen – einschließlich der Auflösung von Dienstverträgen, die gegen Mitarbeiter*innen, verhängt wurden. Diese Personen, einschließlich jener, die vor Abschluss einer Ermittlung die Organisation verlassen, werden nicht wiedereingestellt.
Darüber hinaus nehmen wir an UN-Initiativen teil, um dieses Problem in Angriff zu nehmen, unter anderem bei der Einrichtung von organisationsübergreifenden Datenbanken zu sexuellem Fehlverhalten. Wir sind Teil einer UN-Task Force, die ein „einheitliches Protokoll“ entwickelt. Dieses zielt darauf ab, einen gemeinsamen Ansatz im gesamten UN-System zu festigen, wie sexuelle Ausbeutung und Missbrauch unter Beteiligung von Mitarbeiter*innen von Partnerorganisationen gemeldet, verhindert und adressiert werden.
4. Zusammenarbeit mit Partner*innen
UNHCR setzt sich mit Nachdruck für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit ein, um sexuelle Ausbeutung und Missbrauch sowie sexuelle Belästigung zu unterbinden. Wir haben Null-Toleranz-Politik gegenüber sexuellem Fehlverhalten und haben solide Maßnahmen in das Partnermanagement integriert, um Risiken zu vermindern und Verantwortung zu übernehmen.
Alle Vereinbarungen mit Projektpartner*innen verweisen ausdrücklich auf Werte und Standards des professionellen Verhaltens und verlangen, dass Verfahren zur Prävention, Aufdeckung, Untersuchung und Meldung von Fehlverhalten, mit besonderem Augenmerk auf sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauch, vorhanden sind. Verstöße sind ein Grund für die Beendigung der Partnerschaft.
Wir engagieren uns auch aktiv für die Stärkung des Bewusstseins und der Kapazitäten unserer Partnerorganisationen. Seit 2013 organisiert das UNHCR-Büro des Generalinspektors 14 regionale Workshops für Partner*innen auf der ganzen Welt.
UNHCR ist auch vollständig in die organisationsübergreifenden Maßnahmen zur Beseitigung von sexueller Ausbeutung und Missbrauch sowie sexueller Belästigung eingebunden. Dazu gehören die Tätigkeiten der Sonderkoordinatorin zur Verbesserung der Reaktion der Vereinten Nationen auf sexuelle Ausbeutung und sexueller Missbrauch, der Opferschutzbeauftragten für die Vereinten Nationen und der Task Force des UN Chief Executives Board (CEB) gegen sexuelle Belästigung. UNHCR beteiligt sich auch an einem Taskteam gegen sexuelle Ausbeutung und sexuellen Missbrauch, das vom Inter-Agency Standing Committee (IASC) zusammengestellt wurde. Das Team ist organisationsübergreifend – unter Beteiligung der wichtigsten UN und nicht-UN-Partnerorganistationen im humanitären Bereich – für Koordination, Policy-Entwicklung und Entscheidungsfindungen zuständig.