„Path Out“ – Wie aus einer Fluchtgeschichte ein Computerspiel wurde
„Path Out“ – Wie aus einer Fluchtgeschichte ein Computerspiel wurde
Seit seinem sechsten Lebensjahr ist Jack Gutmann von Computerspielen fasziniert, auch heute spielt er täglich noch einige Stunden. Als Kind haben ihm Computerspiele und Zeichnen geholfen, die schwierige Situation in Syrien und den Krieg auszuhalten. Dass seine eigene Fluchtgeschichte zum Computerspiel wurde, hätte er sich aber nicht träumen lassen …
„Ich wollte den Krieg weder sehen noch hören. Er hat mir Angst gemacht und ich hab‘ versucht, der Realität zu entkommen. Wenn es Elektrizität gab, dann hab‘ ich Videogames gespielt. Wenn der Strom ausfiel, habe ich am Computer gezeichnet. Wenn der Akku meines Computers leer war, habe ich MP3 gehört und auf Papier weitergezeichnet“, erzählt Jack.
Seine Leidenschaft für Computerspiele und die digitale Welt wurde schon früh von seinen Eltern geweckt. Sie haben ihm und seinen vier Brüdern die erste Spielkonsole geschenkt, weitere Computer und Spielutensilien folgten. Der Grund dafür war einfach: Jacks Eltern wollten ihre Buben schützen und dafür sorgen, dass sie möglichst viel im Haus und fernab der Gefahren blieben, die im Krieg auf den syrischen Straßen lauerten.
Das Leben von Jack, der seit seinen Teenagerjahren digital zeichnet und koloriert und mit vierzehn schon das Grafikprogramm Photoshop beherrschte, wurde so nachhaltig geprägt: „Digitale Kunst und Computerspiele waren für mich das Fenster zur Welt, aus meinem Zimmer in Syrien, aus dem Krieg hinaus in eine diverse Welt mit ganz unterschiedlichen Menschen.“
Mit 18 Jahren musste Jack alles zurücklassen und fliehen, seine Flucht endete in Österreich – eher zufällig, wie er erzählt: „Ich wollte nicht in Österreich bleiben, das war nicht der Plan. Als ich allein mit meinem Bruder nach Österreich gekommen bin, waren wir wirklich schockiert, weil uns so viele Menschen geholfen haben. Also positiv schockiert!“
Jacks Flucht als Computerspiel
Kurz nach seiner Ankunft in Österreich lernte Jack Georg Hobmeier, den Chef der Spielefirma Causa Creations, kennen, ein weiterer glücklicher Zufall. Die Spieldesigner*innen arbeiten hauptsächlich zu sozialen Themen wie Flucht, Migration, Klimawandel oder aktuell an einem Projekt über Nuklearenergie.
Jack wollte unbedingt seine Leidenschaft zum Beruf machen und war fasziniert von Causa Creations – daher war eine gemeinsame Idee schnell geboren: Jacks Fluchtgeschichte sollte zum Videospiel werden.
„Wir haben das Spiel „Path Out“ gemeinsam mit Jack entwickelt und beschlossen, dass Jack darin selbst die Hauptrolle spielt”, sagt Georg. Beim Spiel haben sie sich für ein japanisches Format entschieden, das mit seiner „Cuteness“ und den süßen Figuren im krassen Gegensatz zum Krieg in Syrien und Jacks Flucht steht. Gleichzeitig ist Jack selbst mit im Spiel dabei und kommentiert die einzelnen Szenen im Youtuber-Format.
Das Ziel des Spieles ist, Spielerinnen und Spielern einerseits aufzuzeigen, in welch schwierigen Situationen sich Menschen auf der Flucht befinden und gleichzeitig zu zeigen, dass komplexe Menschen mit komplexen, einzigartigen Geschichten hinter dem Wort „Flüchtling“ stehen.
Ganz wichtig dabei war Jack und Georg auch der Humor im Spiel.
„Die Geschichte von Flucht und Krieg ist schlimm genug, da braucht man sowieso Humor, um das ertragen zu können. Und das Spiel ist sehr nahe dran an der Realität. Deswegen ist es wichtig, dass es zwischendurch auch lustig ist. Computerspiele sollen schließlich ja auch Spaß machen“, meint Jack.
UNHCR-Version von Path Out für Schüler*innen
In Zusammenarbeit mit UNHCR wurde nun eine Kurzversion des Spiels entwickelt, das sich gut für den Schulunterricht eignet und maximal eine Unterrichtsstunde dauert. Über Jacks Geschichte bekommen Schülerinnen und Schüler einen Einblick in sein Leben in Syrien und warum er flüchten musste.
Mit dem Spiel möchten Jack und UNHCR den Spieler*innen auch zeigen, was es bedeutet, seinen Alltag zurückzulassen und von einem Tag auf den anderen flüchten zu müssen …
Seit Jacks Ankunft in Österreich sind einige Jahre vergangen und Jack hat seine künstlerische und emotionale Heimat in Österreich gefunden. „Als ich nach Österreich gekommen bin, habe ich mich sicher gefühlt. Aber es hat fünf Jahre gedauert, bis ich das Gefühl hatte, meine Reise ist vorbei, jetzt bin ich angekommen“, sagt Jack rückblickend. In dieser Zeit hat Jack auch seine Frau kennengelernt, letztes Jahr haben die beiden geheiratet.
Besonders die Zeit nach der Ankunft war für ihn, wie für so viele junge Geflüchtete, alles andere als einfach. Als Achtzehnjähriger, der eigentlich erst erwachsen werden musste, war er auf sich allein gestellt, in einem völlig fremden Land, aber Jack konnte alle Schwierigkeiten meistern. Er absolvierte eine Berufsausbildung und arbeitete dann einige Jahre in einer Spieleentwicklungsfirma. Aktuell bildet er sich nochmals im 3D-Modelling und -Animation weiter, um – wie er sagt – so richtig gut bei der Spieleentwicklung zu werden und als Spieldesigner seine Talente einzusetzen.
Zum Spiel und den Unterrichtsmaterialien hier entlang.