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Herzlich Willkommen: Die Stadt Wien lebt Integration auf Augenhöhe vor

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Herzlich Willkommen: Die Stadt Wien lebt Integration auf Augenhöhe vor

12 Dezember 2018
Widad Alghamian unterrichtet Arabisch und möchte damit auch möglich machen, dass geflüchtete Kinder neben Deutsch auch die arabische Sprache lernen, um in beiden "Welten" daheim zu sein. © UNHCR/Stefanie J Steindl

Es ist ein kühler Samstagnachmittag, als Widad Alghamian mit zwei ihrer Kinder durch die Wiener Innenstadt schlendert. Sie bummeln durch Geschäfte und genießen die weihnachtliche Stimmung. In einem noblen Geschäft bewundert Widad die Orientteppiche, bevor sie auf einem traditionellen Weihnachtsmarkt eine Mozart-Lampe kauft.

„Wien erinnert mich an Damaskus”, sagt die 41-jährige Lehrerin aus der syrischen Hauptstadt. „Die Pflastersteine, die Antiquitätenläden ... Natürlich vermisse ich Damaskus, aber da ich hier mit meiner Familie bin, ist Wien jetzt unsere Heimat geworden."

Dass sich Widad und Tausende andere Flüchtlinge in Wien so gut eingewöhnt haben, zeugt von der offenen Haltung der Stadt, die die Neuankömmlinge willkommen geheißen und sich vom ersten Tag an für ihre Integration eingesetzt hat.

„Wir haben ein großes Haus gebaut und nun steht endlich die Hauseinweihung an“, sagt Jürgen Czernohorszky, Amtsführender Stadtrat für Bildung, Integration, Jugend und Personal.

In seinem hell erleuchteten, modernen Büro im Rathaus spricht er über das stetig wachsende Wien und wie die Hauptstadt die hohe Zahl an Flüchtlingsankünften nicht nur bewältigt, sondern auch als Chance für gelebte Multikulturalität genutzt hat.

„Es ging nie darum, ob wir sie willkommen heißen sollten, sondern wie.“

Wien hat eine lange Tradition im Flüchtlingsschutz. Beim UNHCR-Interview zeigt uns Stadtrat Czernohorszky eine Grafik, die die Fluchtbewegungen 1956, dem Jahr des Ungarischen Volksaufstandes, 1968, dem Jahr des Prager Frühlings, und den 1990er Jahren, als in Jugoslawien die Kriege ausbrachen, zeigt. 2015 weist die Grafik erneut einen Höchstwert auf. Gewachsen ist Wien aber vor allem durch Migration – sowohl aus anderen Bundesländern als auch aus EU-Ländern – nicht durch Fluchtbewegungen. Heute hat Wien eine Einwohnerzahl von über 1,8 Millionen Menschen.

„In den 1970er und 80er Jahren“, sagt er, „kamen viele Menschen als Gastarbeiter, oftmals aus der Türkei, nach Österreich und die Politiker dachten, sie würden zurückkehren, sodass man keine Notwendigkeit zur Integration sah. Das war ein großer Fehler. In Wien haben wir daraus gelernt.“

Die Ankunft Tausender Flüchtlinge im Jahr 2015 (Österreich gehörte zu den Ländern mit den höchsten Aufnahmezahlen) war eine „große Herausforderung“, sagt Czernohorszky. „Aber ich freue mich, sagen zu können, dass es nie darum ging, ob wir sie willkommen heißen sollten, sondern wie.“

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Rund 60 Prozent der weltweit 25,4 Millionen Flüchtlinge leben nicht in Lagern, sondern in Städten und städtischen Gebieten quer durch Amerika, Europa, dem Nahen Osten, Afrika und Asien.

BürgermeisterInnen, lokale Behörden, Social Enterprises und Bürgerinitiativen stehen an vorderster Front in der globalen Flüchtlingshilfe, fördern den sozialen Zusammenhalt und schützen und unterstützen die gewaltsam vertriebenen Männer, Frauen und Kinder, die in ihrer Umgebung leben.

Wien ist Teil eines wachsenden globalen Netzwerks von Städten, die sich für die Aufnahme von Flüchtlingen und die Potenziale, die diese mitbringen, einsetzen. Von Sao Paulo bis Jakarta geben diese „Städte des Lichts“ den Schutzbedürftigsten der Welt Hoffnung, indem sie einen Zufluchtsort und die Chance bieten, vollwertige Mitglieder der Gesellschaft zu werden.

Am 18. und 19. Dezember lädt UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi zum sogenannten „High Commissioner’s Dialogue“ nach Genf. Bei dieser Veranstaltung geht es in diesem Jahr vor allem um die Rolle der Städte beim Schutz der Vertriebenen in städtischen Gebieten.

Wien hat verschiedene städtische Programme zur Unterstützung von Flüchtlingen und ist eine von 92 Städten weltweit, die sich der Kampagne Cities#WithRefugees von UNHCR angeschlossen haben, um Inklusion voranzutreiben.

„Das ist es, was wir brauchen - die Offenherzigkeit der Menschen, die in dieser Stadt leben.“

„Wir reden nicht nur, sondern wir handeln auch“, sagt Stadtrat Czernohorszky. „In kürzester Zeit haben wir Unterkünfte, medizinische Versorgung und vor allem den Zugang zu Bildung organisiert. Alle Grundbedürfnisse wurden erfüllt. Allein im letzten Jahr hatten 10.000 Menschen einen Platz in kostenlosen Deutschkursen.“

Trotz finanzieller Kürzungen auf nationaler Ebene unterstützt die Stadt Wien Flüchtlinge weiterhin aus ihrem eigenen Budget und aus EU-Mitteln. Sie fördert auch NGOs und Flüchtlingsgruppen, die in der Flüchtlingshilfe aktiv werden. Die Stadt fördert außerdem das freiwillige Engagement der Wienerinnen und Wiener in der Flüchtlingshilfe.

„Die Zivilgesellschaft hat sich unglaublich engagiert“, sagt Herr Czernohorszky. „Um ehrlich zu sein, hätten wir es ohne die Freiwilligen nicht geschafft. Das ist es, was wir brauchen - die Offenherzigkeit der Menschen, die in dieser Stadt leben.“

Eines der innovativen Integrationsprogramme Wiens heißt „Peer-Mentoring für Flüchtlinge“. Im Rahmen des CORE-Projektes helfen hier Flüchtlinge, die sich bereits etwas in der Stadt eingelebt haben, den neu angekommenen Flüchtlingen, auf ihren eigenen Beinen zu stehen. Die MentorInnen absolvieren Trainings zu unterschiedlichen Themen rund um das Leben und Zusammenleben in Wien, bevor sie beginnen, mit den anderen Flüchtlingen zu arbeiten.

In einem Gemeinschaftszentrum im 15. Bezirk leitet Mohammad Akbar Amiri, 19, aus Ghazni in Afghanistan zwei Abende pro Woche eine Taekwondo-Klasse für Flüchtlinge, nachdem er zuvor von CORE ausgebildet wurde.

„Im Kurs ging es darum, was  die Rechte und Pflichten von Flüchtlingen sind, europäische Themen, genderspezifische Aspekte und ähnliches“, sagt Akbar. „Jetzt bin ich sozusagen qualifiziert zu unterrichten. Ich habe bereits einige Erfahrungen was Taekwondo betrifft, da ich das schon seit meinem siebten Lebensjahr mache.“

„Ich bin den ganzen Tag am Deutsch lernen“, sagt Mohammad Hashem Esaqzadeh, 21, ebenfalls aus Afghanistan, „also ist es gut, abends etwas Sport zu treiben. Für mich bedeutet Taekwondo eine freie Seele und ein gesunder Körper.“

Peer Mentoring ist Teil eines größeren Integrationsprojekts namens CORE, an dem fünf öffentliche Einrichtungen der Stadt Wien in den Bereichen Vielfalt, soziale Fragen, Bildung, Arbeit und Business beteiligt sind. Das erklärte Ziel von CORE ist es, „Flüchtlinge zu gleichberechtigten PartnerInnen anstelle von HilfsempfängerInnen zu machen“.

„Wir wollen nicht, dass die Flüchtlinge vergessen, woher sie kommen.”

Das CORE-Zentrum im 15. Bezirk bietet Räume und Einrichtungen für Flüchtlinge, die eigene Ideen für Aktivitäten umsetzen möchten. So trifft sich hier beispielsweise eine Gruppe von geflüchteten ÄrztInnen zum Lernen, um in Österreich die nötigen Qualifikationen zu erlangen und wieder in ihrem Beruf arbeiten zu können.

CORE-Sprecherin Katja Horninger erklärt, warum viele Flüchtlinge das Zentrum auch nutzen, um neben dem Deutschunterricht auch ihre Erstsprache zu lehren und zu lernen und warum CORE dies fördert.

„Es ist erwiesen“, sagt sie, „dass ein gutes Niveau in der Erstsprache auch beim Erlernen einer weiteren Sprache hilfreich ist. Und wir wollen nicht, dass die Flüchtlinge vergessen, woher sie kommen. Das ist es, was das Zusammenleben interessant macht.”

Parham Lee-Sadrzadeh, ein Wiener mit iranischen Wurzeln, unterrichtet in einem Klassenzimmer Farsi für afghanische Frauen, die in ihrer eigenen Sprache weder lesen noch schreiben können.

„Ich wollte ihnen Deutsch beibringen“, erzählt er, „und sah, dass sie keine Fortschritte machten. Ich erkannte, dass das Problem darin bestand, dass sie auch ihre Erstsprache nicht lesen und schreiben konnten.“

Eine motivierte Österreicherin, die unter den afghanischen SchülerInnen sitzt, versucht ebenfalls, die Grundlagen des Farsi zu lernen.

„Wenn sie gut ausgebildet sind, werden sie gute Mitglieder der österreichischen Gesellschaft sein.“

Widad, die früher an einer Schule in Damaskus Arabisch und Religion unterrichtete, konnte über CORE wieder in die Klassenzimmer zurückkehren und unterrichtet nun Arabisch für Flüchtlingskinder.

Widad, ihr Mann und drei ihrer Kinder kamen nach Österreich, nachdem der älteste Junge der Familie, der heute 20-jährige Obaida, sich alleine auf den Weg gemacht hatte. Widad sagt, dass ihr schnell klar wurde, dass sie nicht den ganzen Tag über bloß zu Hause sitzen konnte und wieder ein aktives Leben brauchte.

„Ich hatte die Idee, Kindern Arabisch beizubringen, und bat um ein Zimmer“, sagt sie. „CORE fragte mich, wie hoch der Bedarf wäre und innerhalb eines Tages bekam ich 40 Rückmeldungen. Jetzt unterrichte ich vier Gruppen mit je 20 Kindern.”

„Es ist wichtig, dass unsere Kinder, die schnell Deutsch lernen, auch ihre eigene Kultur kennen. Wenn sie gut ausgebildet sind, werden sie gute Mitglieder der österreichischen Gesellschaft sein.“