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Iuliia: „Jeder Tag in Österreich hat mir zugerufen: neu, neu, neu“

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Iuliia: „Jeder Tag in Österreich hat mir zugerufen: neu, neu, neu“

20. Juni 2025
Iuliia mit der ukrainischen Fahne in der UNO-City

Iuliia arbeitet ehrenamtlich beim UNHCR Refugee Team mit. Hier bei einem Besuch in der UNO-City, wo sich das Büro von UNHCR befindet. 

Wir sind fünf Tage vor Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nach Wien gekommen. Es sollte ein Besuch werden, höchstens zwei Wochen. Eine Freundin hatte uns drei – meine kleine Tochter, meinen Mann und mich – eingeladen, sie in Wien zu besuchen.

Wir kamen mit leichtem Gepäck, in der Annahme, bald nach Kyjiw zurückzukehren. Danach wollten wir in den Karpaten Skifahren. Das Leben war normal. Wir hatten keine Ahnung, was auf uns zukam.

Doch dann begann der Krieg. Und plötzlich konnten wir nicht mehr zurück.
Zunächst fühlte es sich surreal an. Wir waren in einer schönen, friedlichen Stadt, während unser Zuhause unter Beschuss stand. Unsere Eltern blieben in Kyjiw. Wir sprechen ständig mit ihnen – über WhatsApp, Viber, wo immer es geht. Aber es ist nicht dasselbe. Wir vermissen sie sehr. Und ich vermisse das Leben, das wir hatten.

Ich habe nie daran gedacht, Kyjiw zu verlassen. Wir hatten ein schönes Leben, wir haben hart gearbeitet und gut gelebt. Kyjiw ist so eine coole Stadt – ich liebe sie wirklich. Wir haben Kyjiw nicht freiwillig verlassen
Das erste Jahr in Österreich war unglaublich schwer. Jeder Tag brachte neue Herausforderungen. Ich habe einen Universitätsabschluss und habe im Finanzbereich gearbeitet, aber trotz meiner Ausbildung und Berufserfahrung war sogar ein Einkauf im Supermarkt eine Herausforderung. Ich erinnere mich, dass ich fast zwei Stunden gebraucht habe, um Grundnahrungsmittel zu kaufen – ich habe jedes Etikett mit dem Handy übersetzt, nach vertrauten Zutaten in ungewohnter Verpackung gesucht.

In der Ukraine hätte das zehn Minuten gedauert. Hier war alles neu. Selbst das Aufstehen fiel mir schwer, weil ich wusste, dass der Tag voller Unbekanntem sein würde. Jeder Tag schrie mir entgegen: „Neu, neu, neu.“

Aber wir haben weitergemacht, Schritt für Schritt. Wir sind weitergegangen. Wenn man nicht direkt auf sein Ziel zugehen kann, nimmt man einen Umweg – aber wir sind in Bewegung geblieben.

 

Iuliias Geschichte ist Teil der UNHCR-Porträtreihe „ A Piece of Home. A Piece of Hope“ (etwa „Ein Stück Zuhause. Ein Stück Hoffnung“). Geflüchtete Menschen aus der Ukraine sprechen darin über ihre Flucht, ihren Neuanfang und ihre Hoffnungen.