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Integration im Laufschritt

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Integration im Laufschritt

21 Oktober 2021 Auch verfügbar auf:
Wie jeden Samstagmorgen nehmen zahlreiche Personen an den Trainings des Vereins FLAG21 in Genf teil. ©UNHCR/Mark Henley

Fernab des üblichen Treibens in den Genfer Strassen und in der Nähe des Jet d'eau, bevorzugen an diesem Samstagmorgen im September viele Freizeitsportler die Ruhe eines Parks. An einem Ende des Parc des Eaux-Vives bildet sich sogar eine kleine Versammlung. Mehrere Dutzend Menschen, die in Gruppen ankommen und meist kanariengelbe T-Shirts mit dem FLAG21-Logo (siehe unten) tragen, bereiten sich auf eine ganz besondere Trainingseinheit vor.

Die etwa vierzig Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen versammeln sich in einem grossen Kreis und beginnen mit einer kurzen Aufwärmphase, die teilweise von Tsegay Gebremedhin geleitet wird. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht schreckt Tsegay Gebremedhin nicht vor einer Rolle zurück, die ihn in den Mittelpunkt der Aktivitäten stellt. Er ist einer der sieben Flüchtlinge, die jeden Samstag von 10 bis 11 Uhr, Sommer wie Winter, die vom Verein organisierten Trainingseinheiten leiten. Eine zentrale Rolle, die Tsegay vor vier Jahren, kurz nach seiner Ankunft in der Schweiz im September 2015, übernommen hat.

"Ich bin seit 2017 Coach und das ermöglicht mir, Sport zu treiben. Aber das Training am Samstagmorgen allein reicht mir nicht aus. Ich laufe fünf bis sechs Mal in der Woche, vor allem, wenn ein Rennen ansteht", sagt der 34-Jährige. An diesem Morgen wird Tsegay dank dem eingeführten Turnus die Leitung der Elitegruppe übernehmen. An den folgenden Samstagen wird er sich zunächst um die Teilnehmer des mittleren Niveaus und dann um die Kinder kümmern.

Das Tagesprogramm umfasst eine fünfzehnminütige Aufwärmphase, eine Dehnungseinheit, Lauf- und Sprintsequenzen und schliesslich eine Muskelkräftigung. Alles in französischer Sprache, mit einigen Übersetzungen ins Englische oder in eine andere Sprache, falls erforderlich, auch um das Erlernen der Sprache zu erleichtern. Der Trainer des Tages, der in seinem Herkunftsland Eritrea, in einer Laufakademie trainiert hat, lässt sich von dieser ausgiebigen Trainingseinheit nicht erschrecken. "Ich war auf einem guten Niveau. Ich lief die 5.000 und 10.000 Meter und hatte sogar einen Manager", erinnert er sich.

Seit diesen Jahren hat er seine Freude an Wettkämpfen nicht verloren und nimmt immer noch regelmässig an vielen beliebten Rennen teil. Er fährt fort: "Sport ist alles für mich. Das gibt mir ein gutes Gefühl und hilft mir, weniger Stress zu haben." Tsegay wird diesen Ausgleich sicher brauchen, denn er hat gerade sein Studium an der Universität Genf im Rahmen des akademischen Integrationsprogramms "Horizon académique" begonnen.

Nach einer eineinhalbjährigen Ausbildung an den Genfer Universitätsspitälern im Bereich Ernährung, will er sich nun zum Krankenpfleger ausbilden lassen. Eine neue Herausforderung, mit der der Laufbegeisterte nicht gerechnet hat. "Meine Immatrikulation wurde erst eine Woche vor Kursbeginn bestätigt", sagt er. Tsegay bereitet sich darauf vor, ein neues Umfeld zu entdecken, da er vor seiner Flucht aus seinem Heimatland eigentlich Elektroingenieur werden wollte.

Er hat viele Erinnerungen an Eritrea. Dank des Laufens traf er andere Eritreer, aber nicht nur. "Mein älterer Bruder lebt im Wallis. Ich versuche, ihn regelmässig zu besuchen. Es gibt dort grosse Berge, wie in Eritrea, aber es ist viel kälter", lacht er.

Als Inhaber eines B-Ausweises geniesst Tsegay im Gegensatz zu anderen Flüchtlingen mit einem F-Ausweis eine grössere Freizügigkeit. "Ich konnte auch meine Schwester in den Niederlanden besuchen, und das öffnet mir viele Türen in Bezug auf die Arbeit", meint der Student. Chancen, die er in den kommenden Jahren hoffentlich nutzen kann. "Ich will in der Schweiz bleiben und hier arbeiten", sagt er, bevor er sich zu seiner Trainingsgruppe begibt.

 


FLAG21 diversifiziert sich weiter

Seit seiner Gründung im April 2017 hat der in Genf ansässige Verein FLAG21 einen langen Weg zurückgelegt. Im Gegensatz zu anderen Vereinen haben die COVID-19-Pandemie und ihre zahlreichen unerwünschten Folgen diesem Verein neuen Auftrieb gegeben. "Das hat unsere Aufgabe natürlich erschwert, da wir uns nur in kleinen Gruppen treffen konnten. Während wir uns früher sehr auf den Laufsport und die Wettkämpfe konzentriert haben, haben wir unseren Schwerpunkt jetzt auf den Gesundheitssport während der Pandemie verlagert", erklärt Elise Delley, die Koordinatorin des Vereins. Sie fährt fort: "Das während der Gesundheitskrise eingerichtete Trainingsformat in kleinen Gruppen sowie die YouTube-Videos, die während der ersten Welle gedreht wurden, ermöglichten es den Trainern, viele neue Fähigkeiten zu erwerben, Selbstvertrauen zu gewinnen und mehr Verantwortung zu übernehmen."

Neben dem Laufen stehen nun auch Yoga und Walking auf dem Programm, und FLAG21 plant, in naher Zukunft auch Radfahren und Schwimmen anzubieten. Diese neuen Aktivitäten werden dazu beitragen, neue Menschen, insbesondere Frauen und Kinder, zu erreichen. "Unsere Trainings sind sehr zugänglich. Es gibt keine Mitgliedsbeiträge und keine Anmeldepflicht", sagt Elise Delley. "Sport ist ein guter Vorwand für die Förderung der Integration."