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Kurz vor dem Weltflüchtlingstag veröffentlicht UNHCR den Bericht „Global Trends“, der einen Überblick über Flucht und Vertreibung weltweit gibt.
Während die Zahl der Asylbewerber in Deutschland weiter deutlich sinkt, hat das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR weltweit zum ersten Mal mehr als 70 Millionen Menschen auf der Flucht gezählt. Zum 31. Dezember 2018 habe es auf der Erde 70,8 Millionen Flüchtlinge, Vertriebene und Asylbewerber gegeben, sagte der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, Filippo Grandi, am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des UN-Flüchtlingsberichts „Global Trends“. Das seien 2,3 Millionen mehr als ein Jahr zuvor – und doppelt so viele wie vor 20 Jahren. Es ist zugleich die höchste Zahl von Flüchtlingen, die UNHCR, geschaffen 1950, je gezählt hat.
„Die Daten unterstreichen, dass die Zahl der vor Krieg, Konflikten und Verfolgung fliehenden Menschen langfristig steigt“, sagte Grandi. „Obwohl die Sprache, wenn es um Flüchtlinge und Migranten geht, oft vergiftet ist, sehen wir aber auch phantastische Beispiele von Großmut und Solidarität, gerade von Gemeinschaften, die selbst schon einer großen Zahl von Flüchtlingen Schutz gewähren. Wir sehen auch beispielloses Engagement von neuen Akteuren, wie Entwicklungshilfeorganisationen, der privaten Wirtschaft und von Einzelnen. Sie spiegeln nicht nur den Geist des Globalen Paktes für Flüchtlinge wider, sondern leben ihn auch.“ Grandi sagte weiter: „Auf diesen positiven Beispielen müssen wir aufbauen und unsere Solidarität für die vielen Tausenden, die jeden Tag vertrieben werden, verdoppeln.“
In Deutschland ging die Zahl der neuen Asylanträge wieder deutlich zurück. Im vergangenen Jahr suchten 161 900 Menschen um Schutz vor Krieg und Verfolgung nach. Im Jahr zuvor waren es noch 198 300, im Jahr 2016 sogar 722 400. Die größte Gruppe der Asylsuchenden, 44 200, bilden nach wie vor Syrer. An zweiter Stelle folgen erneut Iraker (16 300) und an dritter kommen Menschen aus Iran. Im Gegensatz zu fast allen anderen Nationalitäten stieg hier die Zahl der Asylgesuche an, von gut 8 600 auf knapp 10 900. Dafür sank die Zahl der afghanischen Asylbewerber innerhalb von nur zwei Jahren von 127 000 auf 9 900 im letzten Jahr. Weitere Länder mit hohen Zahlen von Asylgesuchen waren Nigeria (10 200), die Türkei (10 200), Eritrea (5 600) und Somalia (5 100).
Insgesamt gab es in Deutschland zum Jahreswechsel 1 063 800 anerkannte Flüchtlinge. Genau die Hälfte, 532 100, waren aus Syrien, gefolgt vom Irak (136 500), Afghanistan (126 000), Eritrea (55 300), Iran (41 200), Türkei (24 000), Somalia (23 600), Serbien und Kosovo (9 200), Russland (8 100), Pakistan (7 500) und Nigeria (6 400).
„Diese Zahlen zeigen zum einen das Engagement der Deutschen: Sie verweigern Menschen in Not nicht ihre Hilfe und ihren Schutz und die Integration macht große Fortschritte“, sagte Grandi. „Es wird aber zugleich deutlich, dass die Flüchtlingskrise woanders stattfindet: Etwa in Libanon, wo mehr als jeder Sechste ein Flüchtling ist. Oder in Bangladesch, das fast ebenso viele Flüchtlinge aufgenommen hat wie Deutschland, obwohl es nur sehr begrenzte Möglichkeiten hat. Diese Solidarität der Libanesen, Bangladescher und auch der Deutschen hat meinen höchsten Respekt.“
Mit 70,8 Millionen übersteigt die Zahl der Menschen auf der Flucht die der Einwohner Frankreichs oder Großbritanniens deutlich. Davon sind 25,9 Millionen Flüchtlinge, also Menschen, die vor Krieg und Verfolgung aus ihrem Land geflohen sind. Das ist ein Plus von 500 000. Darin enthalten sind 5,5 Millionen palästinensische Flüchtlinge unter dem Mandat von UNRWA. Zu den Flüchtlingen kommen 3,5 Millionen Asylbewerber, bei denen mithin die Entscheidung über ein Asylgesuch noch aussteht. Die größte Gruppe sind mit 41,3 Millionen die Binnenvertriebenen, also Menschen, die innerhalb ihres Heimatlandes auf der Flucht sind.
Für Hunderttausende Menschen hat sich die Situation aber auch gebessert. So konnten 593 800 Flüchtlinge nach Hause zurückkehren. Weitere 62 600 wurden Staatsbürger des Landes, in dem sie Schutz gefunden hatten. Und 92 400 kamen per Härtefallaufnahme (Resettlement) in ein sicheres Aufnahmeland. Letzteres sind allerdings nur sieben Prozent der Flüchtlinge, für die es aus Sicht von UNHCR dringend eine solche Lösung geben müsste. Hochkommissar Grandi: „In jeder Notsituation muss das Ziel immer sein, dass die Flüchtlinge wieder nach Hause zurückkehren kann. Das ist die ständige Herausforderung für UNHCR. Eine Lösung kann es aber nur geben, wenn alle Länder zusammenarbeiten. Das ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit.“
Zehn Schlüsselfakten, die Sie kennen sollten
KINDER – Jeder zweite Flüchtling ist ein Kind (jünger als 18 Jahre). 111 000 von ihnen sind von ihren Familien getrennt.
ALLTAG – Alle zwei Sekunden wird ein Mensch vertrieben. Das sind 37 000 Menschen pro Tag.
URBANITÄT – Flüchtlinge leben deutlich öfter (61 Prozent) in Städten als auf dem Land.
REICH&ARM – Reiche Länder haben im Schnitt 2,7 Flüchtlinge pro 1 000 Einwohner aufgenommen, mittlere und arme Länder 5,8 Flüchtlinge pro 1 000 Bewohner. Die ärmsten Länder der Erde beherbergen ein Drittel der Flüchtlinge weltweit.
NACHBARN – Etwa 80 Prozent der Flüchtlinge haben in einem direkten Nachbarland Schutz gefunden.
KLEINKINDER – Uganda meldet 2 800 geflüchtete Kinder, die jünger als sechs Jahre alt und allein, von ihren Eltern getrennt, sind.
DAUER – Vier von fünf Flüchtlingen kommen aus Konflikten, die schon mindestens fünf Jahre andauern. Bei jedem fünften sind es sogar 20 Jahre – oder mehr.
NEUE ASYLSUCHENDE – Die größte Zahl der neuen Asylbewerber kam im Jahr 2018 aus Venezuela: 341 800
ANTEIL – Jeder 108. Mensch auf der Erde ist auf der Flucht. Vor zehn Jahren war es jeder 160.
EUROPÄISCHE UNION – Kommen alle nach Europa? 91 Prozent aller Flüchtlinge leben nicht in der EU.
Den gesamten Bericht und ein Medienpaket inklusive Bildern finden Sie hier.
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