Südsudans Geiseln der Klimakrise

Für die Menschen in Bentiu im Norden des Südsudan, die mit schweren Überschwemmungen zu kämpfen haben, ist der Klimawandel schon heute eine existenzielle Bedrohung.

In der Nähe von Bentiu führt eine durch Deiche geschützte Straße durch das Hochwasser, das sich bis zum Horizont erstreckt. © UNHCR/Andrew McConnell

Text von Charlotte Hallqvist und Fotos von Andrew McConnel

Nyeritea Kay Nakney sitzt mit ihren vier Kindern in einem unsicheren Kanu, während ihre beiden Neffen das Boot mit einem großen Stock und einer Schaufel durch die Fluten steuern.

Das Gebiet, durch das sie paddeln, war früher trockenes Land. Die Wipfel der Bäume ragen noch immer aus dem Wasser. Alte Stahlkonstruktionen, Strommasten und die Überreste von Tukuls [runde Lehmhütten] stehen wie Schreine für trockenere Zeiten.

Nyeritea Kay Nakney und ihre vier Kinder und zwei Neffen kommen in Bentiu an, nachdem sie aus ihrem überfluteten Dorf fliehen mussten. © UNHCR/Andrew McConnell

Drei Stunden nachdem sie ihr überflutetes Dorf verlassen haben, nähern sie sich langsam einer großen Erdbarriere, einem Deich, der die Fluten vorerst von einem Ort für Binnenvertriebene in der nördlichen Stadt Bentiu im südsudanesischen Bundesstaat Unity fernhält.

Ein UNHCR-Mitarbeiter hilft Nyeritea Kay Nakney und ihrer Familie aus dem Kanu und an das trockene Land in der Flüchtlingsunterkunft in Bentiu. © UNHCR/Andrew McConnell

Vier Jahre historischer Regenfälle in dieser Region des Südsudan haben Ackerland, alte Häuser und Straßen überflutet und Bentiu in eine Insel verwandelt. Rund 360.000 Menschen wurden wegen der Überschwemmungen vertrieben. Sie leben nun in Vertriebenencamps unterhalb des Wasserspiegels, die von Deichen umgeben sind.

Deiche schützen das Hauptlager für Binnenvertriebene in Bentiu. © UNHCR/Andrew McConnell

Während sich die globale Diskussion über den Klimawandel darauf konzentriert, dass die Welt in Zukunft unbewohnbar wird, ist dies für die Menschen, die hier festsitzen, bereits Realität.

Die siebenundfünfzigjährige Nyepini Gator ist eine von ihnen. Sie steht inmitten einer Gruppe durchnässter Frauen, die gerade aus den Fluten aufgetaucht sind. Sie haben die letzten fünf Stunden im Wasser verbracht und Seerosen geerntet.

Nyayier Nyang Nai (links) und Nyawura Gatuak Ngech arbeiten zusammen, um die Seerosen zu sammeln. © UNHCR/Andrew McConnell

Nyepini stammt aus dem Dorf Tong, das ebenfalls in eine Insel verwandelt wurde, die vom Hochwasser umgeben ist.

Obwohl ihr Haus wie durch ein Wunder noch auf dem Trockenen steht, könnte die Umgebung nicht unterschiedlicher aussehen als zu der Zeit, als Nyepini ein Kind war. Seit Generationen betrieben die Bewohner dieser Gegend Viehzucht, waren aber auch auf die Landwirtschaft angewiesen, um sich zu ernähren. Nyepini erinnert sich: „Wir hatten alles, was wir brauchten, wir waren wohlhabend.“

Jetzt verbringen sie und die anderen Frauen ihre Tage damit, bis zum Hals im Wasser zu stehen, während sie Feuerholz, Schilf zum Bau ihrer Häuser und Nahrung sammeln. Sie bewegen sich als Gruppe im Wasser, um sich vor Wildtieren zu schützen und um sicherzustellen, dass jemand zur Stelle ist, wenn eine von ihnen von den Schlangen gebissen wird, die im Wasser lauern.

Eine Frau breitet in ihrem Haus im Dorf Tong zerkleinerte Seerosen zum Trocknen in der Sonne aus. © UNHCR/Andrew McConnell

Nyepini trocknet die von ihr gesammelten Seerosensamen in der Sonne und verwandelt sie in ein Mehl, aus dem ein lokales Gericht namens Walwal hergestellt wird.

Ihr Name bedeutet in der lokalen Sprache „Flut“, weil sie in einem Jahr geboren wurde, in dem es Überschwemmungen gab. Im Südsudan gab es schon immer saisonale Überschwemmungen, die in der Trockenzeit wieder zurückgingen. Aber die Flut der letzten Jahre war so groß wie nie zuvor, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass das Wasser zurückgeht.

Frauen transportieren Schilfbündel, die sie im Hochwassergebiet um das Dorf Tong geerntet haben. © UNHCR/Andrew McConnell

Nyayiel Riek Jal Wuor verließ vor zwei Jahren ihr Dorf. Sie und ihre Familie hatten über Generationen hinweg Vieh gehütet und Getreide angebaut.

Als das Wasser ihre Hütte erreichte, verkaufte sie ihrer Kühe, um ein Kanu zu kaufen, mit dem sie sich und ihre vier Kinder in die relative Sicherheit eines der Binnenvertriebenencamps in Bentiu brachte.

Nyayiel Riek Jal Wuor floh mit ihren vier Kindern nach Bentiu, nachdem das Hochwasser ihre Hütte erreicht hatte. © UNHCR/Andrew McConnell

Neben dem Sammeln und Verkaufen von Brennholz gibt es in der Region des Camps nur wenige Möglichkeiten, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die Überschwemmungen bedeuten auch, dass Nyayiel und andere Frauen weite Strecken zurücklegen müssen, um trockenen Boden zu finden, was sie der Gefahr sexueller Übergriffe aussetzt.

In der Zwischenzeit ist Nyayiel’s Dorf immer noch vom Wasser überflutet, und sie kann nicht nach Hause zurückkehren.

Eine Frau schneidet Brennholz von einem toten Baum in der Nähe des Dorfes Tong. © UNHCR/Andrew McConnell

Der Südsudan ist sehr anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels. In dem Land, das zu den instabilsten und unsichersten Ländern Afrikas gehört, sind jedes Jahr etwa eine Million Menschen von Überschwemmungen betroffen. In anderen Teilen des Landes hat die Dürre den Viehbestand ausgelöscht und die Erntezyklen unterbrochen, was zu Konflikten zwischen nomadischen Viehzüchtern und sesshaften Gemeinschaften führte.

Die letzten verbliebenen Rinder in dem Dorf Tong. Die Überschwemmungen haben Hunderttausende von Nutztieren getötet. © UNHCR/Andrew McConnell

Jetzt bringt die Krise im Sudan zusätzliche Schwierigkeiten für die Menschen in Bentiu mit sich, die bereits mit dem Verlust ihrer Häuser, ihrer Schutzsysteme und ihrer seit Generationen überlieferten Bräuche zu kämpfen haben. Der Konflikt hat den Zustrom von Lebensmitteln und anderen Gütern aus dem Sudan, der die Hauptversorgungsroute für die Region war, unterbrochen und die Preise in den letzten Wochen in die Höhe schnellen lassen.

In der Zwischenzeit sind Menschen, die als Flüchtlinge im Sudan lebten, aber vor der Gewalt fliehen mussten, in den Bundesstaat Unity zurückgekehrt, nur um festzustellen, dass ihr angestammtes Land aufgrund der Überschwemmungen nicht mehr bewohnbar ist. Da sie nirgendwo anders hinkönnen, schlafen viele von ihnen im Freien in Binnenvertriebenencamps, die nur begrenzte Kapazitäten haben, um sie zu versorgen.

ELiza (im roten Shirt) ist kürzlich aus dem Sudan zurückgekommen. © UNHCR/Andrew McConnell

„Sie kehren in ein Land zurück, das extrem instabil ist“, sagt Juliette Murekeyisoni, stellvertretende Vertreterin des UNHCR im Südsudan. „Wir sind sehr besorgt über die Auswirkungen auf die Gemeinschaften, insbesondere auf diejenigen, die bereits vom Konflikt und dem Klimawandel betroffen sind.“

Es wird erwartet, dass sich die Situation mit dem bevorstehenden Beginn der Regenzeit weiter verschlechtern wird. In Bentiu haben UNHCR und seine Partner in Vorbereitung auf die Regenzeit Entwässerungssysteme und höhere Deiche gebaut, die allerdings nur bis zu einer bestimmten Höhe reichen können. UNHCR hat die Gemeinden auch bei der Bildung von Deichpflege- und Wartungskomitees unterstützt und ihnen Schulungen und Werkzeuge zur Verfügung gestellt.

Eine von Deichen geschützte Straße führt nach Beitinu. © UNHCR/Andrew McConnell

Die meisten von Nyepinis Nachbarn sind bereits in eines der Camps in Bentiu gezogen, und sie ist sich nicht sicher, wie lange sie noch in Tong bleiben kann, vor allem, wenn die kommende Regenzeit den Wasserspiegel weiter ansteigen lässt.

„Was als Nächstes passieren wird, hängt von Gott ab“, sagt sie. „Ich möchte bleiben, das ist meine Heimat, das ist das Land meiner Vorfahren.“