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Ein sogenanntes „Gesetz gegen illegale Migration“, das vom Parlament im Vereinigten Königreich verabschiedet wurde, verhindert weitreichend den Zugang zum Asylsystem und steht in krassem Widerspruch zu den internationalen Menschenrechts- und Flüchtlingsschutzverpflichtungen des Landes.
Das „Gesetz gegen illegale Migration“ (UK Illegal Migration Bill), das vom britischen Parlament bereits verabschiedet wurde und vor der königlichen Zustimmung in den nächsten Tagen steht, verstößt gegen die Verpflichtungen des Landes im Rahmen der internationalen Menschenrechte und des Flüchtlingsrechts und wird tiefgreifende Folgen für Menschen haben, die internationalen Schutzes brauchen, warnten UN-Hochkommissar für Menschenrechte Volker Türk und UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi.
Durch das Gesetz wird allen Personen, die irregulär einreisen und ein Land durchquert haben, in dem sie – wenn auch nur kurz – nicht verfolgt wurden, der Zugang zu Asyl im Vereinigten Königreich verwehrt. Die Betroffenen können sich weder auf Flüchtlingsschutz noch auf andere Menschenrechte berufen, egal wie zwingend ihre Umstände sind. Außerdem müssen sie in ein anderes Land abgeschoben werden, ohne dass gewährleistet ist, dass sie dort Zugang zu Schutz bekommen. Zusätzlich werden weitreichende neue Inhaftierungsmöglichkeiten mit begrenzter gerichtlicher Kontrolle geschaffen.
„Jahrzehntelang hat das Vereinigte Königreich im Einklang mit seinen internationalen Verpflichtungen Menschen in Not Zuflucht gewährt – eine Tradition, auf die es zu Recht stolz ist. Diese neue Gesetzgebung untergräbt den Rechtsrahmen, der so viele Menschen geschützt hat, erheblich und setzt Flüchtlinge unter Verletzung des Völkerrechts schwerwiegenden Risiken aus“, sagte Grandi.
Das geplante Gesetz verweigert allen Personen, die in seinen Anwendungsbereich fallen – einschließlich unbegleiteter und von ihren Eltern getrennter Kinder – den Zugang zu Schutz im Vereinigten Königreich, unabhängig davon, ob sie von Verfolgung bedroht sind, möglicherweise Menschenrechtsverletzungen erlitten haben oder Überlebende von Menschenhandel oder moderner Sklaverei sind oder andere begründete Ansprüche nach den internationalen Menschenrechten und dem humanitären Recht haben.
„Die Durchführung von Abschiebungen unter diesen Umständen verstößt gegen das Refoulement-Verbot und das Verbot der kollektiven Ausweisung, gegen das Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, das Recht auf Familien- und Privatleben und gegen den Kindeswohl-Grundsatz“, sagte UN- Menschenrechtshochkommissar Türk.
Die meisten Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, haben häufig keine Visa und offizielle Dokumente und auch keine Möglichkeit, Dokumente zu erhalten. Sichere und „legale“ Wege stehen ihnen nur selten zur Verfügung. In der Genfer Flüchtlingskonvention wird daher ausdrücklich anerkannt, dass Flüchtlinge gezwungen sein können, irregulär in ein Asylland einzureisen.
In Ermangelung tragfähiger Abschiebungsvereinbarungen mit Drittländern oder angemessener operativer Kapazitäten für die Abschiebung einer großen Zahl von Asylsuchenden ist damit zu rechnen, dass Tausende Menschen auf unbestimmte Zeit in prekären rechtlichen Verhältnissen im Vereinigten Königreich verbleiben.
Die Gesetzgebung wird die ohnehin schon prekäre Situation von Menschen, die irregulär im Vereinigten Königreich ankommen, noch verschärfen, indem sie ihre Menschenrechte drastisch einschränkt und sie der Gefahr von Inhaftierung und Armut aussetzt.
Infolgedessen sind ihre Rechte auf Gesundheit, einen angemessenen Lebensstandard und auf Arbeit gefährdet, was sie der Gefahr von Ausbeutung und Missbrauch aussetzt.
„Dieses Gesetz wirft nicht nur aus internationaler Sicht ernste rechtliche Bedenken auf, sondern schafft auch einen besorgniserregenden Präzedenzfall. Dem Abbau asylbezogener Verpflichtungen könnten andere Länder, auch in Europa folgen, was sich negativ auf das internationale Flüchtlings- und Menschenrechtsschutzsystem insgesamt auswirken könnte“, warnte Türk.
„UNHCR teilt die Besorgnis der Regierung des Vereinigten Königreichs über die Zahl der Asylsuchenden, die gefährliche Reisen über den Ärmelkanal antreten. Wir begrüßen die derzeitigen Bemühungen, das bestehende Asylsystem durch eine schnelle, faire und effiziente Bearbeitung der Fälle effektiver zu gestalten, die die Integration derjenigen, die internationalen Schutz benötigen, und die rasche Rückführung derjenigen, die keine rechtliche Grundlage für ihren Aufenthalt haben, ermöglicht. Bedauerlicherweise werden diese Fortschritte durch die neuen Rechtsvorschriften erheblich untergraben. Die Zusammenarbeit mit europäischen und anderen Partnern entlang der Flüchtlings- und Migrationsrouten ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung“, sagte Grandi.
Alle Menschen, die ihr Herkunftsland verlassen, um anderswo Sicherheit und Schutz zu suchen, haben Anspruch auf die uneingeschränkte Wahrung ihrer Menschenrechte und ihrer Würde, unabhängig von ihrem rechtlichen Status, der Art ihrer Ankunft oder anderen Merkmalen.
„Das Vereinigte Königreich setzt sich seit langem für die Einhaltung der internationalen Menschenrechte und des Flüchtlingsrechts ein. Dieses unerschütterliche Engagement ist heute nötiger denn je“, betonte der UN-Menschenrechtskommissar.
„Ich fordere die britische Regierung auf, dieses Engagement für die Menschenrechte zu erneuern, indem sie dieses Gesetz rückgängig macht und sicherstellt, dass die Rechte aller Migrant*innen, Flüchtlinge und Asylsuchenden ohne Diskriminierung geachtet, geschützt und erfüllt werden. Dazu sollten auch Anstrengungen unternommen werden, um eine zügige und faire Bearbeitung von Asylanträgen oder Menschenrechtsvorbringen zu gewährleisten, die Aufnahmebedingungen zu verbessern und die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von sicheren Wegen für reguläre Migration zu erhöhen“, sagte Türk.
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