FAQ Binnenvertriebene

 

Wer fällt unter die Bezeichnung „Binnenvertriebene“?

Binnenvertriebene sind Zivilisten, die ihre Heimat verlassen mussten, um einem bewaffneten Konflikt, allgemeiner Gewalt und Menschenrechtsverletzungen zu entkommen.

Millionen Opfer von Naturkatastrophen werden ebenfalls häufig als Binnenvertriebene oder Flüchtlinge bezeichnet. Die Versorgung von Opfern einer Naturkatastrophe übersteigt aber zumeist die Kapazität von UNHCR.

Wie viele Menschen mussten innerhalb ihres Landes vor Verfolgung fliehen?

Binnenvertriebene stellen eine der größten Gruppen von schutzbedürftigen Menschen dar: Bis Ende 2021 galten geschätzte 53,2 Millionen Menschen als binnenvertrieben.

Was ist der Unterschied zu Flüchtlingen?

Binnenvertriebene sind oft in einer sehr schwierigen Situation. Sie können in einen laufenden innerstaatlichen Konflikt hineingezogen werden. Ihr Schicksal bleibt in den Händen der heimischen Regierung, die sie aber möglicherweise als „Staatsfeinde“ einstuft. Es gibt keine speziellen völkerrechtlichen Instrumente für Binnenvertriebene und allgemeine Übereinkommen wie die Genfer Konventionen lassen sich in vielen Fällen nur schwer anwenden. Geberländer zögern bisweilen, bei innerstaatlichen Konflikten aktiv zu werden oder dauerhafte Unterstützung anzubieten.

Welche Hilfe bekommen Binnenvertriebene?

Beide Gruppen verlassen ihre Heimat aus ähnlichen Gründen. Zivilisten werden nach dem Völkerrecht als Flüchtlinge anerkannt, wenn sie eine internationale Grenze überschreiten, um in einem anderen Land Zuflucht zu suchen. Binnenvertriebene bleiben hingegen aus unterschiedlichen Gründen innerhalb der Grenzen ihres Landes.

Welche Hilfe bekommen Flüchtlinge?

Neuangekommene Flüchtlinge erhalten normalerweise vom Aufnahmeland Verpflegung, eine Unterkunft und einen sicheren Zufluchtsort. Sie fallen unter den Schutz eines gut definierten Bestands an völkerrechtlichen Bestimmungen und Übereinkommen. UNHCR und andere humanitäre Organisationen arbeiten innerhalb dieses rechtlichen Rahmens, um Flüchtlingen bei einem Neuanfang im Asylland oder bei der Rückkehr in ihre Heimat zu unterstützen.

Dem Binnenvertriebenenproblem wurde in jüngster Zeit mehr Aufmerksamkeit zuteil. Warum?

Nach dem Zweiten Weltkrieg konzentrierte die internationale Gemeinschaft ihre Aufmerksamkeit vor allem auf die Unterstützung der offensichtlich von diesem Krieg Betroffenen, der Flüchtlinge.

Nach dem Krieg wurde UNHCR gegründet, um dieses Ziel besser verfolgen zu können, und es wurde ein völkerrechtlicher Rahmen für Flüchtlinge geschaffen. Mit dem Ende des Kalten Krieges begann sich der Charakter von Konflikten zu verändern: weg von der Konfrontation zwischen den Supermächten und hin zu kleineren innerstaatlichen Auseinandersetzungen. Diese Kriege trugen zu einer starken Zunahme der Zahl der Binnenvertriebenen bei.

Wie hat die internationale Gemeinschaft reagiert?

Binnenvertriebene wurden in der Vergangenheit nur begrenzt unterstützt.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) als Hüter der Genfer Konventionen (nicht zu verwechseln mit der Genfer Flüchtlingskonvention) ist seit Jahrzehnten in diesem Bereich aktiv. Andere Organisationen und Regierungen begannen in den letzten Jahren, sich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. 2005 wurde deshalb ein in höherem Maße koordinierter, umfassenderer und „besser kalkulierbarer“ Ansatz verabschiedet, um dem Problem entgegenzuwirken.

Wie lautet die Position von UNHCR zu Binnenvertriebenen?

Das Mandat von UNHCR sieht keine spezielle Zuständigkeit für Binnenvertriebene vor. Häufig sind diese aber von denselben Konflikten betroffen und haben dieselben Probleme wie Flüchtlinge. UNHCR hilft daher seit Jahren auch Binnenvertriebenen.

Leitlinien der UN

Die Guiding Principles on Internal Displacement bestehen aus 30 Empfehlungen.

Sie definieren, wer unter die Bezeichnung „Binnenvertriebene“ fällt und nehmen Bezug auf eine Reihe bestehender völkerrechtlicher Normen, in denen die Grundrechte von Personen und die Verantwortung von Staaten festgelegt werden. Obwohl sie nicht rechtlich bindend sind, definieren sie doch Mindestnormen für den Umgang mit Binnenvertriebenen, die von einer Reihe von Staaten und Institutionen angewandt werden. Sie tragen auch dazu bei, dass Binnenvertriebene ihre Interessen besser vertreten können.

Wie organisiert UNHCR die Hilfe vor Ort?

Die Situationen von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen überlappen sich in vielen Fällen, und oft hat sich ein einziger koordinierter Einsatz als sinnvollste Lösung erwiesen.

Dies gilt vor allem bei der Rückkehr, wenn beide Gruppen an denselben Ort zurückkehren. Im neuen System wird UNHCR eine federführende Rolle in den Bereichen spielen, in denen die Organisation umfassende Erfahrung besitzt.

Gibt es potenzielle Spannungen zwischen den Verantwortlichkeiten von UNHCR für Flüchtlinge und Binnenvertriebene?

Die Satzung von UNHCR wurde flexibel interpretiert, um die Unterstützung für Binnenvertriebene zu ermöglichen und der neue Kooperationsrahmen wird dies stärken.

In der Vergangenheit gab es allerdings auch Hindernisse wie Sicherheitsprobleme und die Verwehrung des Zugangs durch Regierungen oder Rebellen. Bisweilen erwies es sich als schwierig, Flüchtlingen und Binnenvertriebenen gleichzeitig zu helfen. Es liegt in der Natur von Programmen für Binnenvertriebene, dass sie die Asylgewährung für diejenigen erschweren können, die in Nachbarländer geflohen sind.

Gab es in der Vergangenheit weitere Probleme?

Im ehemaligen Jugoslawien, in Timor und zuletzt während der Krise im Libanon bot UNHCR aufgrund von humanitären Notwendigkeiten sowohl Flüchtlingen als auch Binnenvertriebenen Schutz und Unterstützung.

Flüchtlinge sind oft in der Minderzahl gegenüber den Binnenvertriebenen, die Opfer desselben Konflikts sind. Jüngste Beispiele dafür sind Kolumbien und die Demokratische Republik Kongo. Die erfolgreiche Reintegration von Rückkehrern ist manchmal nur möglich, wenn auch zurückgekehrten Binnenvertriebenen Hilfe geboten wird, um keine zu großen Unterschiede entstehen zu lassen. Dies war zuletzt in Liberia, dem Irak, Sri Lanka, Afghanistan und Togo der Fall.