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„Es ist eine wunderbare Aufgabe, für Flüchtlinge da zu sein“

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„Es ist eine wunderbare Aufgabe, für Flüchtlinge da zu sein“

Ein Gespräch mit Sophie Etzold, die aktuell für UNHCR im Libanon arbeitet.
15. Dezember 2025
Sophie vor dem Eingang des  UNHCR-Büros in Beirut

Hi Sophie. Magst du dich kurz vorstellen?

Ich komme aus Berlin und habe nach der Schule Anthropologie und Arabistik mit Schwerpunkt auf Flucht und Migration studiert.

Im Rahmen meines Studiums habe ich ein Semester an der Universität in Damaskus verbracht. Dort konnte ich meine Sprachkenntnisse rasch vertiefen und Arabisch fließend sprechen lernen. Das war im Jahr 2006 – einer Zeit, in der viele Menschen aus dem Irak in Syrien Zuflucht suchten und oft auch großzügig aufgenommen wurden. In diesem Kontext kam ich erstmals mit UNHCR in Berührung. Damals habe ich ein Praktikum beim UNHCR-Büro gemacht – ein prägendes Erlebnis, das meinen beruflichen Weg entscheidend beeinflusst hat. Das Team vom UNHCR war damals noch ziemlich klein, was mir erlaubte, direkte Einblicke zu gewinnen und Erfahrungen im Umgang und Interviews mit Geflüchteten zu machen.

Insgesamt habe ich mehr als sieben Jahre in Syrien gelebt und das Land noch in der Zeit vor dem Krieg kennengelernt. Seither habe ich überwiegend in der Region gearbeitet – mit einer dreijährigen Zwischenstation in Uganda, bevor ich zurückgekehrt bin. Derzeit bin ich für UNHCR in Libanon im Einsatz. Dort koordiniere ich die Zusammenarbeit zwischen UN-Organisationen, lokalen und internationalen NGOs und den relevanten Ministerien. Mein fachlicher Schwerpunkt liegt im Schutz von Überlebenden von physischer und sexualisierter Gewalt sowie im Kinderschutz für geflüchtete Kinder.

Kannst du uns ein bisschen mehr zu deiner beruflichen Laufbahn erzählen?

Schon während meines Studiums bin ich regelmäßig nach Syrien gereist und habe in den Semesterferien an Schutzprogrammen für Frauen und Kinder mitgearbeitet.

Nach dem Abschluss erhielt ich ein Mercator-Stipendium - ein Programm, das jungen Menschen Einblicke in die Arbeit internationaler Organisationen ermöglicht. Im Rahmen des Stipendiums war ich zunächst drei Monate im Auswärtigen Amt mit einem regionalen Fokus auf Jemen und Irak, anschließend ein halbes Jahr bei der EU-Vertretung für Syrien in Damaskus. Zum Abschluss war ich erneut bei UNHCR tätig, diesmal im Bereich psychosozialer Unterstützung. Nach dem Praktikum wurde ich übernommen und habe ab 2010 beim UNHCR im Bereich „Community-based Protection” gearbeitet.

Nur ein Jahr später begann der Krieg in Syrien. Das war eine Eskalation, die sich die meisten meiner Arbeitskollegen und Freunde damals kaum vorstellen konnten. Während der Krise, die schnell zu Tausenden von Binnenvertriebenen führte, blieb ich bei UNHCR in Syrien und arbeitete im Bereich des Protection Monitoring und weiterhin im Kinderschutz. Das war sehr praktische Arbeit, bei der ich die Situation von geflüchteten Menschen sah, die in temporären Unterkünften untergebracht wurden.

Sophie spricht bei einer Veranstaltung

Sophie spricht bei einer Veranstaltung

2014 wechselte ich nach Jordanien in das Flüchtlingscamp Zaatari, wo bereits über 80.000 syrische Flüchtlinge lebten. Dort leitete ich ein Team von 16 jordanischen Mitarbeitenden. Unsere Arbeit war intensiv und oft rund um die Uhr gefordert. Besonders beeindruckt hat mich der große Einsatz, die Leidenschaft und das Fachwissen, mit dem unser Team den Menschen im Camp zur Seite stand.

Im Anschluss war ich drei Jahre in Uganda tätig. Auch dort habe ich Programme zum Schutz von geflüchteten Kindern und Überlebenden von sexualisierter Gewalt geleitet und koordiniert. Das war eine wichtige Erfahrung. Auch um zu verstehen, wie die Arbeit von UNHCR in anderen Regionen funktioniert. Aber ich habe dort auch gemerkt, wie wichtig es ist, die Sprache vor Ort zu sprechen und sich direkt mit den Menschen unterhalten zu können.

Von Uganda aus habe ich mich auf meine jetzige Position in Beirut beworben. Als der Konflikt eskalierte, musste ich mein Kind vorübergehend nach Berlin umsiedeln und habe das letzte Jahr zwischen Berlin und Beirut gearbeitet.

Den Job und Familie zu vereinbaren ist bestimmt nicht immer einfach.

Ja, das stimmt, häufige Umzüge sind für Kinder nicht leicht. Als wir in den Libanon gezogen sind, bin ich erstmal davon ausgegangen, dass die Lage dort stabil bleiben würde. Die Unsicherheit nach dem Ausbruch des Konflikts war für meine Tochter sehr schwierig, vor allem weil ich immer hin- und herreisen musste. Aber es gibt auch viele bereichernde Seiten: Zum Beispiel, dass sie schon in jungen Jahren unterschiedliche Kulturen und Lebensrealitäten kennenlernen darf. Das hat ganz wesentlich zu ihrer kulturellen und sozialen Bildung beigetragen.

Was sind andere Herausforderungen in dem Beruf?

Besonders als ich noch nicht lange dabei war, fand ich es sehr herausfordernd mit Menschen zu sprechen, die Schreckliches erleben mussten. Deren Geschichten zu hören, war teilweise schwer auszuhalten. Deshalb mache ich mich auch immer stark dafür, dass nur gut ausgebildete Mitarbeitende diese Aufgaben wahrnehmen.

Zu den größten Herausforderungen heute zählen die finanziellen Kürzungen im humanitären Bereich. Im Libanon bedeutet das etwa, dass wir die Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge einschränken müssen. Teile kann die libanesische Regierung übernehmen, vieles aber nicht. Ähnlich sieht es bei Bildungsangeboten aus: Auch Schutzzentren für Frauen und Kinder mussten bereits geschlossen werden.

Die Einschnitte sind sehr drastisch. Aber in anderen Regionen ist es noch viel schlimmer. Das liegt auch daran, dass viele Geber entscheiden, für welche Regionen sie UNHCR Geld geben. Manche Regionen werden dabei vernachlässigt. Um den Menschen dort ebenfalls helfen zu können, ist es wichtig, dass wir Geld zur Verfügung haben, das wir flexibel nutzen können. Deutschland ist einer der flexibelsten Geber von UNHCR und macht genau das möglich.

Und was motiviert dich weiterzumachen?

Es ist eine wunderbare Aufgabe, für Flüchtlinge da zu sein und für ihre Rechte einzutreten. Und dafür mit unterschiedlichen Ländern zusammenzuarbeiten, um geflüchtete Kinder und Frauen besser zu schützen, das motiviert mich.

Wenn ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen und Mitarbeitenden von lokalen NGOs zusammenarbeite und sehe, dass sie wirklich alles geben, um anderen zu helfen und sich bei dieser Aufgabe selbst ein bisschen vergessen, dann berührt mich das sehr.