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Auseinandergerissen und wiedervereint: Die Geschichte einer Familienzusammenführung

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Auseinandergerissen und wiedervereint: Die Geschichte einer Familienzusammenführung

31 Dezember 2020 Auch verfügbar auf:
Zelalem Demoz vor dem Opernhaus in Zürich, Dezember 2020. Im Jahr 2019 wurde seine Familie nach sechs Jahren endlich wieder zusammengeführt. © UNHCR/Ruben Sprich

"Ich erinnerte mich an meinen Vater“, sagt der heute 18-jährige Eritreer. „Ich erkannte ihn auch gleich. Trotzdem habe ich mich gefragt: Ist das wirklich wahr oder bloss ein Traum?“ Für die drei jüngsten seiner fünf Geschwister war es ein Fremder, den sie am Flughafen trafen. Zu viel Zeit war verstrichen, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatten. Sie waren Kleinkinder, als er, ein orthodoxer Pfarrer, aus Eritrea flüchten musste.

Wie sein Vater in die Schweiz kam und was sich auf der Flucht abspielte, weiss Zelalem nicht genau. Der Vater möchte nicht darüber sprechen. Zwischen 2013 und 2015 hatte die Familie keinen Kontakt zu ihm. Bis zu jenem Tag, als Zelalem von der Schule nach Hause kam und seine Mutter ihm sagte, der Vater habe angerufen. Aus der Schweiz. „Ich wusste nicht, wo das ist“, sagt Zelalem lachend. „Von diesem Land hatte ich noch nie gehört.“

Nach zwei Jahren und acht Monaten erhielt Zelalems Vater in der Schweiz einen positiven Asylbescheid. Einen B-Ausweis. Anders als vorläufig Aufgenommene musste er nicht drei Jahre lang warten, bis er ein Gesuch um Familiennachzug stellen konnte. Trotzdem dauerte es lange, bis die Familie wiedervereint war.

 

Fluchtversuch endet im Gefängnis

Zelalem hatte in der Zwischenzeit versucht, Eritrea alleine zu verlassen. Das ging jedoch schief: Er wurde festgenommen und musste für sechs Wochen ins Gefängnis. Möglich wurde die Ausreise erst durch ein Friedensabkommen zwischen Eritrea und Äthiopien. Dadurch waren die Grenzen 2018 für eine Weile offen. Tausende seien damals aufgebrochen, sagt Zelalem. Seine Mutter erzählte den jüngeren Geschwistern nicht, dass sie das Land verlassen würden. Sie sagte ihnen, sie würden einen heiligen Ort besuchen, als sie mit dem Bus nach Äthiopien fuhren.

Dort lebten sie sieben Monate in einem überfüllten Flüchtlingslager in der Region Tigray, bevor sie nach Addis Abeba weiterreisen konnten. Nach weiteren sechs Monaten war es soweit: Die Mutter und die Kinder flogen in die Schweiz. Sechs Jahre waren vergangen, seit der Vater alles hinter sich lassen musste. Nun war die Familie Demoz endlich wieder vereint.

„Unsere Herzen wären zerbrochen“

„Ich weiss nicht, was aus uns geworden wäre, wenn der Familiennachzug nicht möglich gewesen wäre und wir ohne Vater hätten leben müssen», sagt Zelalem. «Unsere Herzen wären zerbrochen.» Die vielen Jahre ohne den Vater seien schwierig gewesen. Gefehlt habe Liebe, aber auch Geld. „Ich habe meine Mutter oft weinen gehört.“ Als ältester Sohn musste er die Vaterrolle übernehmen. Verantwortung tragen. Erwachsen werden, als er noch ein Kind war.


Familienzusammenführung

Setzen Sie sich mit uns dafür ein, dass Familien zusammenleben dürfen. Das UNHCR-Büro für die Schweiz und Liechtenstein präsentiert in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Roten Kreuz zwei Videos zum Thema Familienzusammenführung.

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In der Schweiz war es zunächst auch nicht einfach für ihn und seine Familie, vor allem wegen der Sprache. Diese beherrscht Zelalem inzwischen aber gut. Er absolviert derzeit einen Sekundarschulabschluss für Erwachsene und will nächstes Jahr aufs Gymnasium. Später möchte er Physik studieren, vielleicht Astrophysik, und in der Forschung arbeiten. Sein Vater ist in der Sozialarbeit und in einem Altersheim tätig, konnte bisher aber keine Vollzeitstelle finden.

Vom aktuellen Konflikt in der Region Tigray hat Zelalem gehört. Er liest aber absichtlich nicht viel darüber. „Sonst kann ich mich in der Schule nicht konzentrieren.“ Ohnehin schaut Zelalem lieber nach vorne als zurück. Er vermisse seine Freunde von früher. „Aber ich bin glücklich hier“, fügt er schnell an. „Wir sind glücklich.“ Aufgefallen sind ihm in der Schweiz vor allem drei Dinge: Dass Menschenrechte respektiert werden, dass die Leute oft abstimmen –  und dass alle wandern. Auch er wandert nun, fast jeden Samstag.

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