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Sudan-Krise: Zahl der Flüchtlinge im Tschad verdreifacht

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Sudan-Krise: Zahl der Flüchtlinge im Tschad verdreifacht

UNHCR schlägt angesichts der sich zuspitzenden humanitären Notlage im Osten des Tschad Alarm.
4. Juni 2025
Chad. Rapid Influx of Sudanese refugees leaves thousands in desperate need

Nach ihrer Ankunft im Transitlager Tiné setzen Flüchtlinge mithilfe von UNHCR ihre Reise mit Lastwagen in das Camp Iridimi fort.

Innerhalb von etwas mehr als zwei Jahren hat sich die Zahl sudanesischer Flüchtlinge im Tschad mehr als verdreifacht – eine Folge des anhaltend tödlichen Konflikts im Sudan. Seit April 2023 sind über 844.000 sudanesische Flüchtlinge in den Tschad geflohen. Schon vor dieser jüngsten Eskalation hatte das Land mehr als 400.000 Flüchtlinge aufgenommen, die in den Jahren 2003 bis 2023 vor den Kämpfen in Darfur geflüchtet waren. Inzwischen ist die Zahl der sudanesischen Flüchtlinge im Tschad auf über 1,2 Millionen Menschen angewachsen – mehr als in den beiden vorangegangenen Jahrzehnten zusammen. Dies bringt das ohnehin begrenzte Aufnahmesystem des Landes an seine Belastungsgrenze. 

 

Zunehmende Gewalt verschärft die Lage

Ende April 2025 begannen die Ankünfte im Tschad nach gewaltsamen Übergriffen bewaffneter Gruppen in Nord-Darfur stark zu steigen. Angriffe auf Vertriebenencamps wie Zamzam und Abu Shouk sowie auf die Stadt El Fasher forderten über 300 zivile Todesopfer und zwangen zehntausende Menschen zur Flucht. In nur einem Monat sind 68.556 Flüchtlinge in den Provinzen Wadi Fira und Ennedi Est im Tschad angekommen. Derzeit überqueren im Schnitt rund 1.400 Menschen täglich die Grenze. Viele fliehen unter Lebensgefahr, müssen bewaffnete Kontrollpunkte passieren, werden erpresst oder von bewaffneten Gruppen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt.

 

Berichte von Gewalt und traumatischen Erfahrungen

UNHCR-Teams haben seit Ende April mit 6.810 neu angekommenen Flüchtlingen gesprochen. Die Berichte zeugen von erschütternder Gewalt. 72 Prozent berichteten von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, darunter körperliche und sexualisierte Gewalt, willkürliche Inhaftierungen und Zwangsrekrutierung. 60 Prozent gaben an, von Familienangehörigen getrennt worden zu sein. Neben der akuten Vertreibungskrise trifft die Situation Kinder besonders schwer. 66 Prozent der schulpflichtigen Kinder erhalten derzeit keinen Unterricht. 30 Kinder kamen mit schweren Verletzungen im Tschad an.

Ein besonders eindrückliches Beispiel ist Hawa, ein siebenjähriges Mädchen, das gemeinsam mit ihrer älteren Schwester fliehen konnte, nachdem sie bei einem Bombenangriff in Zamzam ihre Eltern und zwei Brüder verloren hatte. Hawa selbst wurde dabei so schwer verletzt, dass ihr ein Bein amputiert werden musste. Ihr Schicksal steht stellvertretend für das unermessliche körperliche und seelische Leid, das der Krieg der Zivilbevölkerung im Sudan zufügt. Es besteht dringender Bedarf an medizinischer Versorgung und psychosozialer Unterstützung – nicht nur zur Linderung der unmittelbaren Not, sondern auch, um den Baustein für langfristige Heilung und Versöhnung zu legen. 

 

Unterfinanzierte Hilfe und prekäre Versorgung

Trotz des Engagements humanitärer Partner und lokaler Behörden ist die Nothilfe massiv unterfinanziert. Auch die Unterbringungssituation ist äußerts prekär: Nur 14 Prozent des Bedarfs können derzeit gedeckt werden. Zehntausende Menschen sind dadurch extremen Wetterbedingungen und Unsicherheit schutzlos ausgeliefert. Die Wasserversorgung liegt mit derzeit nur fünf Litern pro Person und Tag deutlich unter dem internationalen Mindeststandard von 15 bis 20 Litern. Diese Knappheit zwingt Familien zu verzweifelten Entscheidungen, die ihre Gesundheit und Würde gefährden. Zudem harren etwa 290.000 Flüchtlinge weiterhin an der Grenze aus – ohne Schutz, medizinische Versorgung oder ausreichend Lebensmittel.

 

Appell an die internationale Gemeinschaft

UNHCR ruft die internationale Gemeinschaft eindringlich dazu auf, entschieden gegen die Menschenrechtsverletzungen im Sudan vorzugehen. Die Gewalt rund um El Fasher, die zunehmende Zahl von Kontrollpunkten und die Bewegungseinschränkungen durch bewaffnete Gruppen machen Fluchtversuche immer gefährlicher und erhöhen das Risiko für Schutzsuchende erheblich.

 

Dringender Finanzierungsbedarf für humanitäre Hilfe

Im Rahmen des regionalen Flüchtlingshilfsplans für den Sudan benötigen UNHCR und seine Partner im Tschad dringend 553,7 Millionen US-Dollar, um lebensrettende Hilfe für die Flüchtlinge bereitzustellen. Darunter Schutz, Unterkünfte, Nahrung, Wasser und sanitäre Versorgung.

 

Eine globale Krise – mit Auswirkungen auf Millionen

Insgesamt haben seit Beginn des Krieges, der sich nun im dritten Jahr befindet, bereits vier Millionen Menschen den Sudan in Richtung Nachbarländer verlassen. Es ist die größte Vertreibungskrise der Welt. Sollte der Konflikt anhalten, werden weitere Zehntausende fliehen müssen – mit gravierenden Folgen für die Stabilität der gesamten Region und darüber hinaus.

Dies ist eine Krise der Menschlichkeit, der Sicherheit – und eine, die besonders Kinder hart trifft. Das Leben und die Zukunft von Millionen unschuldiger Menschen – darunter viele Kinder wie Hawa – stehen auf dem Spiel. Ohne eine deutliche Aufstockung der finanziellen Mittel kann die dringend benötigte Hilfe weder rechtzeitig noch im notwendigen Umfang geleistet werden.