Bundestagswahl 2025

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Empfehlungen aus Sicht von UNHCR.
Studierende des Stipendienprogramms Deutsche Akademische Flüchtlingsinitiative Albert Einstein (DAFI) stehen zusammen am Eingang des Pergamonmuseums auf der Museumsinsel in Berlin.
Vier Eckpunkte für einen effektiven Flüchtlingsschutz
Deutschland hat Beachtliches für den Flüchtlingsschutz geleistet, sei es durch die Aufnahme und den Schutz von Menschen, die in ihrer Heimat existentiellen Bedrohungen ausgesetzt sind, oder sei es durch das Engagement mit Mitteln der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit in Flüchtlingssituationen in anderen Ländern. Diese Leistung und ihre Fortsetzung sind in den vergangenen Monaten im öffentlichen Diskurs und im politischen Handeln erheblich in Zweifel gezogen worden. Daraus erwächst die Verantwortung, gerade in Wahlkampfzeiten für eine positive Wahrnehmung des Flüchtlingsschutzes in Deutschland und das Engagement Deutschlands im Flüchtlingsschutz in der Welt einzutreten. Dies birgt gleichzeitig die Chance, durch eine Veränderung des Diskurses die Perspektiven von in Deutschland aufhältigen Flüchtlingen zu stärken und damit das Potential der Menschen für die Zukunft der deutschen Gesellschaft besser zu mobilisieren.
Auch auf globaler Ebene ist es von fundamentaler Bedeutung, dass Deutschland sich weiterhin politisch und finanziell für den Flüchtlingsschutz einsetzt. Damit würde Deutschland dazu beitragen, Leben zu retten und Leid zu mindern. Des Weiteren würde die internationale Zusammenarbeit und Verantwortungsteilung bei der Aufnahme von Flüchtlingen und somit das globale System des Flüchtlingsschutzes gefördert. Eine Verbesserung der Lebenssituation und Perspektiven von Flüchtlingen in Erstaufnahmeländern und in Staaten, die auf wichtigen Fluchtrouten gelegen sind, ist nicht nur aus humanitären Gründen dringend geboten, sondern kann auch den Druck zur Weiterwanderung in Drittländer verringern.
Flüchtlingsschutz als Wert gesellschaftlich und politisch fest verankern.
Flüchtlingsschutz stellt sowohl einen grundlegenden Wert als auch eine rechtliche Verpflichtung dar. Es geht darum, Menschen, die vor Verfolgung und Krieg fliehen müssen, vor diesen existentiellen Gefahren Schutz zu gewähren. Völkerrechtlich und europarechtlich ist verankert, dass bei Vorliegen der rechtlichen Kriterien des Flüchtlingsschutzes eine Schutzpflicht des Aufnahmelandes besteht, weil der Schutz durch das Heimatland versagt. Dies ist die Grundidee des internationalen Schutzes. Die politische und gesellschaftliche Akzeptanz des Flüchtlingsschutzes ist dabei entscheidend dafür, dass dieser Schutz auch effektiv werden kann. Die menschliche Dimension sollte dabei in den Vordergrund gestellt werden, um das Verständnis für die Situation von Flüchtlingen und die Aufnahme- und Schutzbereitschaft zu fördern.
Die Herausforderungen durch den Zugang von schutzberechtigten Menschen in erheblicher Zahl innerhalb kurzer Zeit wie jüngst in Deutschland erfordern eine nüchterne Analyse der Fakten und eine ausgewogene Kommunikation von Vorschlägen und Maßnahmen, um die Unterstützung durch die Gesellschaft zu bewahren. Pauschalisierungen, mit denen von einem missbräulichen oder gefährdenden Verhalten Einzelner auf die ganze Gruppe von Schutzsuchenden und Flüchtlingen geschlossen wird, drohen hingegen die Bereitschaft zum Schutz nachhaltig zu unterminieren.
Dagegen würden positive Einstellungen zum Flüchtlingsschutz gestärkt, wenn die Erfolge im Flüchtlingsschutz in Deutschland sowie das Potential, das Flüchtlinge für das Land darstellen, im öffentlichen Diskurs deutlicher hervorgehoben würden. Die Aufnahme großer Zahlen von schutzberechtigten Menschen in Deutschland und deren Integration sind eine beeindruckende gesellschaftliche Leistung, die nicht zuletzt von zahlreichen Menschen durch ihr ehren- oder hauptamtliches Engagement getragen wird. Dabei sollte auch hervorgehoben werden, dass viele anerkannte Flüchtlinge sich erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert haben und einen wichtigen Beitrag für das staatliche Gemeinwesen leisten.
In wissenschaftlichen Studien und in der öffentlichen Diskussion wird betont, dass Deutschland einen sehr großen Bedarf an Zuwanderung habe, beispielsweise um die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt etwa im Gesundheitswesen, der Pflege oder einigen Handwerkssparten bewältigen zu können. Aber auch in den Segmenten des Arbeitsmarktes für geringer qualifizierte Arbeitskräfte besteht ein erheblicher Bedarf. Zudem bietet das demographische Profil der in Deutschland lebenden Flüchtlinge, das einen überdurchschnittlich hohen Anteil an jungen Menschen aufweist, ein besonders hohes Entwicklungspotential, diese Menschen an Aus- und Weiterbildung heranzuführen. Menschen, denen aufgrund der Gefahren im Heimatland internationaler Schutz gewährt wurde, werden in vielen Fällen absehbar zumindest für längere Zeiträume in Deutschland verbleiben.
Für die Bewältigung der demographischen und arbeitsmarktbezogenen Zukunfts-aufgaben in Deutschland bergen die hier aufgenommenen Flüchtlinge ein großes Potential. Dies auch im öffentlichen Diskurs ins Bewusstsein zu rufen, wäre ein weiterer Ansatz, um der Aufnahmebereitschaft und der Akzeptanz von Flüchtlingen in Deutschland mehr Rückhalt zu geben.
Das Flüchtlingsvölkerrecht und das globale System des Flüchtlingsschutzes durch internationale Zusammenarbeit stärken.
Die Genfer Flüchtlingskonvention bildet weiterhin das Fundament für ein funktionierendes System des Flüchtlingsschutzes - in Deutschland, in Europa und global. Sie war historisch die Antwort darauf, dass Millionen Menschen vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg Folter, Misshandlungen und Verfolgung schutzlos ausgeliefert waren. Vielen wurde der Zugang zum Schutz in anderen Ländern verwehrt. Mit der Ratifizierung der Konvention verpflichteten sich Staaten, Flüchtlinge nicht an ihren Grenzen zurück- oder abzuweisen und ihnen Zugang zum Schutz außerhalb der Grenzen ihres Heimatlandes zu ermöglichen. Diese Verpflichtung gilt bis heute und ist auch europarechtlich verankert. Das globale, das europäische und das nationale System des Flüchtlingsschutzes würden durch das nachdrückliche Bekenntnis zu den völkerrechtlichen Grundlagen gestärkt.
Derzeit haben einfache Rezepte, wie die Herausforderungen durch eine Beendigung des Zugangs mit wenigen Maßnahmen beendet werden könnten, eine gewisse Konjunktur. Angesichts der globalen Dimensionen der Herausforder-ungen bedürfen nachhaltige Lösungen allerdings der internationalen Zusammenarbeit. Rein einzelstaatliches Handeln birgt dagegen oftmals die Gefahr einer Verlagerung der Herausforderungen auf andere Staaten und einer Schwächung des globalen Flüchtlingsschutzes insgesamt.
Bei allen erwogenen Maßnahmen sollte insofern auch mit bedacht werden, welche Signale mit Auswirkungen auf das globale System des Flüchtlingsschutzes jeweils damit einhergehen. Deutschlands und Europas Umgang mit der Ankunft von Flüchtlingen und Asylsuchenden wird in anderen großen Aufnahmeländern in der Welt wahrgenommen und vermag die politischen Entscheidungen zu beeinflussen. Die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik hat eine Ausstrahlungswirkung auf den globalen Flüchtlingsschutz. Insbesondere Ansätze zur Auslagerung von Asylverfahren und Schutzgewährung an Drittstaaten vermögen die Aufnahmebereitschaft in anderen Ländern nachhaltig zu unterminieren. Solche Maßnahmen durch leistungsstarke Industriestaaten könnten somit das globale System des Flüchtlingsschutzes schwächen. Dies wiederum würde eher zu mehr und nicht zu weniger ungesteuerter Migration von Schutzsuchenden beitragen.
Deutschlands positive internationale Rolle im Flüchtlingsschutz fortführen.
Deutschland spielt eine Schlüsselrolle in der humanitären Hilfe in Flucht- und Vertreibungssituationen, die jedes Jahr Millionen Menschen betreffen, die insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen Zuflucht finden. Deutsche Hilfe rettet unmittelbar Leben, verbessert den Schutz von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen und schafft Perspektiven. Angesichts aktueller Krisen – wie dem Krieg in der Ukraine, dem eskalierenden Konflikt im Nahen Osten oder der humanitären Katastrophe im Sudan – ist es wichtiger denn je, diese Rolle entschlossen weiterzuführen.
Dank ihrer Flexibilität ist Deutschlands humanitäre Hilfe sehr effektiv. Sie ermöglicht es humanitären Organisationen wie UNHCR, schnell zu reagieren wo der Bedarf am größten ist. Ein ausreichendes Budget für humanitäre Hilfe bleibt entscheidend, um die - bereits heute deutlich unterfinanzierten - Programme von UNHCR und humanitärer Partner umsetzen zu können.
Durch seine weltweite Präsenz kann UNHCR als strategischer Partner helfen, komplexe Herausforderungen im Zusammenhang mit Flüchtlings- und Vertreibungskrisen zu bewältigen, und auch den Schutz von Flüchtlingen entlang wichtiger Fluchtrouten zu verbessern.
Die Arbeit von UNHCR ist für strategische Prioritäten Deutschlands in der humanitären Hilfe von größter Bedeutung, zum Beispiel im Hinblick auf Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt oder bei der Einbindung lokaler Akteure. Durch die Koordination nationaler und internationaler Akteure steigert UNHCR die Effizienz der Hilfe.
Deutschlands Engagement hat eine wichtige Bedeutung für die Bemühungen um nachhaltige Antworten auf Flucht- und Vertreibungskrisen. Dies geschieht nicht nur durch gezielte Nothilfe, sondern auch durch eine sinnvolle Verknüpfung von humanitärer Unterstützung mit längerfristigen Entwicklungsmaßnahmen. Solch strategische Unterstützung von wichtigen Aufnahmeländern kann lokale Gemeinschaften entlasten, zum sozialen Zusammenhalt in den Aufnahme-gesellschaften beitragen und so Situationen stabilisieren. Die Inklusion von Flüchtlingen in nationale Strukturen gibt ihnen eine langfristige Perspektive vor Ort, etwa indem sie Zugang zum Schulsystem, Gesundheitswesen und zum Arbeitsmarkt erhalten. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Förderung von Inklusion auch der einheimischen Bevölkerung zu Gute kommt.
Deutschland engagiert sich bereits im multilateralen Rahmen sowie durch Entwicklungszusammenarbeit in Aufnahmeregionen für einen nachhaltigen Ansatz in Flucht- und Vertreibungssituationen und kann hierauf weiter aufbauen. Es ist wichtig, dass der Schwerpunkt Flucht in der Entwicklungszusammenarbeit mit Aufnahmeländern fortgeführt und deren ausreichende Finanzierung gesichert wird. Auf Grundlage des Globalen Pakts für Flüchtlinge setzt Deutschland wichtige Impulse, um eine gezieltere internationale Zusammenarbeit und Solidarität mit Aufnahmeländern zu erreichen und damit Aufnahmegesellschaften zu stärken und Flüchtlingen weltweit eine Perspektive zu geben. Dazu gehört auch die Aufnahme von Flüchtlingen im Wege von Resettlement, die gegenüber den Erstaufnahmestaaten ein wichtiges Signal darstellt.
Die Reform des Europäischen Asylsystems effizient mit angemessenen Garantien umsetzen.
Ein effizientes und faires Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS) könnte in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu einer verbesserten praktischen Umsetzung der Genfer Flüchtlingskonvention beitragen. Die von der Europäischen Union beschlossenen Reformen bedürfen nunmehr einer konstruktiven Umsetzung in den Mitgliedstaaten. Es erscheint für die weiteren Entwicklungen auf EU-Ebene von wichtiger Bedeutung, dass auch von deutscher Seite in der Zeit vor und nach der Wahl das politische Interesse an einer engagierten Umsetzung der Reformen erkennbare Fortsetzung findet.
Bei der nationalen Implementierung der europarechtlichen Instrumente nach der GEAS-Reform sollte zudem auf einige wichtige Aspekte geachtet werden, die für ein faires Verfahren von zentraler Bedeutung sind. Dazu gehören aus Sicht von UNHCR die Beibehaltung einer unabhängigen Verfahrensberatung, die Einführung einer systematischen Erkennung von besonderen Vulnerabilitäten, die Ausgestaltung des Beobachtungsmechanismus für das Screening- und Grenz-verfahren und eine wirksame Begrenzung der umfangreichen Möglichkeiten einer Inhaftierung von schutzsuchenden Personen.
Die Mitgliedstaaten und die EU-Institutionen bleiben weiterhin dazu aufgerufen, auf Einhaltung der völker- und europarechtlichen Vorschriften zu bestehen. Schutzsuchende Menschen ohne Zugang zu einer Prüfung ihres Schutzbedarfs an der EU-Außengrenze zurückzuweisen oder zurückzuschieben, verletzt die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und ist völkerrechtswidrig. Das Verbot von Refoulement, also von Abschiebung oder Rückweisung in Situationen, in denen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen, ist die zentrale Garantie aus der Genfer Flüchtlingskonvention und muss Maßstab der europäischen Flüchtlingspolitik bleiben.
Das Eckpunktepapier zur Bundestagswahl 2025 steht Ihnen hier als Druckversion zur Verfügung.