„Für unsere Arbeit ist es besonders wichtig, Partner zu haben, die uns verlässlich unterstützen.“
„Für unsere Arbeit ist es besonders wichtig, Partner zu haben, die uns verlässlich unterstützen.“
Esther Wolf begann ihre Karriere bei UNHCR im Rahmen des von Deutschland geförderten Junior Professional Officer (JPO) Programms.
Könntest Du Dich kurz vorstellen und erzählen, wie du zu UNHCR gekommen bist?
Mein Name ist Esther und ich komme aus der Nähe von Frankfurt in Hessen. Aktuell arbeite ich für UNHCR in der Ukraine. Schon im Studium – ich habe Internationale Beziehungen studiert – habe ich mich mit den Vereinten Nationen und ihren Aufgaben auseinandergesetzt. Nach dem Abschluss habe ich dann zwei Jahre beim Auswärtigen Amt im Referat für humanitäre Hilfe an der Steuerung von Hilfsprojekten in verschiedenen Krisen gearbeitet. Im Anschluss habe ich einige Jahre bei einer internationalen humanitären Nichtregierungsorganisation gearbeitet und hatte die Gelegenheit in diverse Krisengebiete zu reisen und an der Umsetzung von humanitären Projekten in Kooperation mit einer Vielzahl von internationalen Organisationen mitzuarbeiten. Dann habe ich vom Junior Professional Officer Programm (JPO) erfahren - einem von der deutschen Regierung geförderten Nachwuchsprogramm bei internationalen Organisationen. Dort war eine Stelle bei UNHCR in Libyen ausgeschrieben. Für die Arbeit und das Schutzmandat von UNHCR habe ich mich schon lange interessiert und fand es sehr motivierend zu sehen, was UNHCR auf globaler Ebene im Flüchtlingsschutz leistet. Ich habe mich also beworben und war sehr froh, als es geklappt hat. Mit dem JPO-Programm war ich zwei Jahre bei UNHCR Libyen tätig, gefolgt von einem Jahr im UNHCR Regionalbüro für Asien und den Pazifik in Bangkok, Thailand. Nun bin ich bereits seit circa anderthalb Jahren für UNHCR in Kiew in der Ukraine.
Was macht UNHCR in der Ukraine und wie sehen deine Aufgaben dort aus?
In der Ukraine unterstützt UNHCR in enger Zusammenarbeit mit der Regierung vom Krieg betroffenen Menschen. Das sind zum Beispiel Personen, deren Häuser von Luftangriffen zerstört wurden, die durch den Krieg aus ihrer Heimat vertrieben wurden oder Flüchtlinge, die wieder zurück in die Ukraine kommen. UNHCR ist in engem Kontakt mit der Regierung und wir unterstützen dort, wo es gebraucht wird. Das umfasst aktuell zum Beispiel die Beschaffung und Reparatur von Unterkünften, Bargeldhilfe, Rechtsberatung und psychologische Unterstützung für vom Krieg betroffene Menschen.
Ich selbst arbeite im External Relations Team. Wir sind für die enge Zusammenarbeit und den kontinuierlichen Austausch von Informationen zwischen UNHCR in der Ukraine und unseren internationalen Regierungspartnern in den Botschaften in Kiew zuständig. Außerdem organisiert unser Team hochrangige Besuche und Meetings mit ausländischen Regierungsvertreterinnen und Vertretern in der Ukraine. Die ehemalige Außenministerin Annalena Baerbock und Kanzler Friedrich Merz waren zum Beispiel bereits zu Besuch in Kiew und haben sich mit UNHCR getroffen. Sie haben sich angeschaut, wie UNHCR vor Ort Hilfe leistet und was die humanitären Bedarfe in der Ukraine sind. Dieser Austausch ist besonders wichtig, weil Deutschland hier ein unverzichtbarer Partner und Unterstützer von UNHCR ist. Und ganz wichtig: bei solchen Besuchen haben die Regierungsvertreterinnen und Vertreter dann auch die Chance, mit vom Krieg betroffenen Menschen direkt vor Ort zu sprechen und sich selbst ein Bild der Lage zu machen.
Esther Wolf während einer Dienstreise nach Tschernihiw gemeinsam mit der UNHCR-Vertreterin in der Ukraine, Karolina Lindholm Billing.
Kannst du uns sagen, was die größte Herausforderung für dich bei der Arbeit ist?
Herausforderungen gibt es bei der Arbeit selbst, aber auch persönlich, wenn man in Krisengebieten arbeitet. In Libyen war es zum Beispiel schwierig Hilfsprojekte umzusetzen, weil UNHCR in dem von Bürgerkrieg betroffenen Land Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit den verschiedenen Entscheidungsträgern hatte. Das ist ganz anders als hier in der Ukraine, wo die Regierung geschlossen mit UNHCR zusammenarbeitet.
Und ganz persönlich: Ich wohne und arbeite in Kiew und hier gab es gerade in den letzten Wochen so viele Luftangriffe wie nie zuvor. Allein im Juni sind hier mehr als 40 Menschen durch Luftangriffe getötet und 150 verletzt worden. Das bedeutet konkret für uns Mitarbeitende, dass wir mehr und mehr Nächte in Luftschutzbunkern verbringen müssen, wo wir die Explosionen und die Luftabwehr hören und davon wachgehalten werden. Am nächsten Morgen geht es dann aber natürlich wieder ins Büro. Und wegen der finanziellen Kürzungen ist das Arbeitspensum vieler Kolleginnen und Kollegen aktuell noch höher als zuvor. Das ist belastend.
Ich erinnere mich noch an meinen ersten Tag hier in Kiew. Ich bin zusammen mit zwei Kollegen angekommen und wir waren für den Anfang in einem Hotel in der Nähe unseres Büros untergebracht. Direkt am ersten Abend ging der Luftalarm los und wir haben unsere erste Nacht im Bunker verbracht.
Am Anfang war das besonders beunruhigend, weil man Gefahren noch nicht gut einschätzen kann, wenn man neu ist. Mit der Zeit lernt man, das Ganze ein bisschen besser einzuschätzen, und kann damit besser umgehen. Aber es bleibt natürlich trotzdem eine starke Belastung – besonders für meine ukrainischen Kolleginnen und Kollegen die das nun schon seit mehr als drei Jahren aushalten müssen, ohne dass ein Ende in Sicht ist.
Du hast die aktuelle Finanzierungskrise angesprochen, die den humanitären Sektor, und auch spezifisch UNHCR betrifft. Wie zeigt sich das in der Ukraine?
Wir kämpfen dagegen an, dass die humanitäre Krise in der Ukraine in Vergessenheit gerät. Es ist jetzt schon das vierte Jahr und die globale Aufmerksamkeit ist nicht mehr so stark, wie sie es anfänglich noch war. Aber die Nöte der Menschen vor Ort sind immer noch hoch! Es ist leider sehr einfach: Wenn wir weniger Geld erhalten, können wir auch weniger Menschen die dringend benötigte Unterstützung bieten. Das bedeutet weniger Baumaterial, um zerstörte Häuser zu reparieren, weniger psychosoziale Hilfe für Menschen, die durch den Krieg traumatisiert wurden – insgesamt schlichtweg weniger Hilfe für Menschen, die bereits alles verloren haben.
Für unsere Arbeit ist es also besonders wichtig, Partner zu haben, die uns verlässlich unterstützen und die uns flexibel finanzieren. Das heißt, dass wir die Mittel, die wir bekommen, dort einsetzen können, wo sie am dringendsten benötigt werden. Deutschland ist hier ein sehr wichtiger Partner.
UNHCR hilft Menschen in der Ukraine, deren Häuser bei Angriffen beschädigt oder zerstört wurden.
Und was sind die besten Erfahrungen für dich bei der Arbeit?
Für mich ist der beste Teil meiner Arbeit immer, wenn ich unterwegs bin und die Leute treffe, denen durch unsere Arbeit direkt geholfen wurde. Zum Beispiel habe ich vor Kurzem eine Frau getroffen, die mir erzählt hat, dass ihr UNHCR und Partnerorganisationen bei der Reparatur ihres Daches und der Fenster geholfen haben, nachdem ihr Haus durch einen russischen Luftangriff schwer beschädigt wurde. Die Unterstützung hat es ihr und ihren Kindern ermöglicht, aus einer Sammelunterkunft wieder zurück nach Hause zu ziehen. Ihre Familie ist eine von über 40.000, die so wieder nach Hause konnten. Zu sehen, was für einen Unterschied unsere Arbeit macht, und welche Auswirkungen sie auf das alltägliche Leben von so vielen Menschen hat, das motiviert mich immer wieder, weiterzumachen.