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„Ich war voller Dankbarkeit für diese einmalige Chance“

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„Ich war voller Dankbarkeit für diese einmalige Chance“

14 Juli 2022
Wie die Förderung von Hochschulbildung für Flüchtlinge die Situation in ihren Aufnahmegemeinden verbessern kann.

„Als ich kranke Menschen in Not sah, fühlte ich mich hilflos“, sagt Aka Rose Mbachilina, eine 26-jährige Mutter von zwei Kindern . Sie sorgte sich, wenn sie verletzte Kinder in der Flüchtlingssiedlung Adagom sah. Wenn sie nur die Mittel und Fähigkeiten hätte, zu helfen, dachte sie. Sie wünschte sich, eine Universität zu besuchen, um zu studieren und kranke Menschen zu versorgen.

Das war im Jahr 2018, als sie mit ihrem Ehemann Joe Fraser und ihren beiden Kindern im Alter von drei und sechs Jahren von Kamerun nach Nigeria flüchtete und selbst eine helfende Hand benötigte. „Wir hatten ein großes Haus, ich hatte mehrere Grundstücke, aber das Leben ist wichtiger als dein Eigentum“, sagt Roses Ehemann Joe Fraser, nachdem sie alles verloren haben. „Er wurde angegriffen und bedroht“, erinnert sich Rose. „Wir konnten nicht mehr in unserem Haus schlafen, weil wir Angst hatten, also fingen wir an, im Busch zu schlafen“, sagt sie.

Als das unerträglich wurde, beschlossen sie, alles hinter sich zu lassen. „Wir konnten nicht einmal Gepäck mitnehmen, weil das Flugzeug unseres Pastors nur ein Viersitzer war, als er uns eines Nachts ausflog.“ Ein zweiter Flug brachte sie an die Grenze zu Nigeria, von wo aus die Familie zu Fuß durch die Wildnis laufen musste.

Nachdem sie alles verloren hatte, war es für Rose schwer vorstellbar, wie sie es sich leisten sollte, Gesundheitswissenschaften zu studieren. Sie eröffnete ein kleines Geschäft, bot Fisch, Kekse, Gewürze, Salz und Reis zum Verkauf an und schaffte es, ein bisschen Geld zu sparen, um eines Tages doch noch eine Universität zu besuchen. Doch damals war sie sich nicht sicher, ob sie es je schaffen würde, ihr Studium aufzunehmen und gleichzeitig für ihre Familie zu sorgen.

Wie es der Zufall wollte, warf sie eines Tages einen flüchtigen Blick auf die Aushänge in der Flüchtlingssiedlung. Dieser Moment sollte ihr Leben verändern. Als sie eine Anzeige über DAFI-Hochschulstipendien sah, entschied sie, sich zu bewerben. Sie wurde als eine von 32 kamerunischen Flüchtlingen aus den Bundesstaaten Cross River und Benue für das Stipendienprogramm in den Jahren 2019 und 2020 ausgewählt.

DAFI, die Deutsche Akademische Flüchtlingsinitiative Albert Einstein, bietet qualifizierten Flüchtlingen und Rückkehrer*innen die Möglichkeit, ein Bachelorstudium zu absolvieren. Neben den Studiengebühren werden ebenfalls die Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Transport und weitere Ausgaben übernommen. Für viele Flüchtlinge ist der Zugang zu einem Universitätsabschluss eine große Herausforderung – nur 5 Prozent der Flüchtlinge weltweit sind an einer Universität eingeschrieben. Im Vergleich dazu studieren weltweit rund ein Drittel aller jungen Menschen. Finanziert durch die Regierungen Deutschlands, Dänemarks und Tschechiens sowie durch UNHCR und private Spender hat das DAFI-Programm hat seit 1992 weltweit über 21.500 junge Männer und Frauen unterstützt.

„Als die Zusage für das Stipendium kam, kniete ich mich hin und dankte Gott“, erinnert sich Rose, die Gesundheitswissenschaften an der Hochschule für Gesundheitswissenschaften und Technologie Ogoja studiert.

 

Eines Tages eine Führungskraft

Auch Ochang Shaloms wird den Tag, an dem das DAFI-Stipendium Wirklichkeit wurde, nie vergessen. „Ich war sehr, sehr glücklich. Ich habe ein Huhn gekauft und es zubereitet“, sagt er über seine Erinnerung an den entscheidenden Moment, den es zu feiern galt. Der 22-jährige Flüchtling studiert Öffentliche Verwaltung an der Technischen Hochschule in Gboko im Bundesstaat Benue. „Schon im frühen Alter habe ich gemerkt, dass ich später einmal eine Führungsrolle ausüben möchte “, erklärt er. Sein Studium, so hofft er, wird ihm helfen, seine Gemeinde zu unterstützen.

Ob das nach seinem Abschluss die Gemeinde sein wird, in der er aufgewachsen ist oder eine neue in seinem Aufnahmeland Nigeria, weiß Ochang nicht. Im Moment hat er keine Wahl. Genau wie Rose entgingen er und seine Familie nur knapp der Gewalt in Kamerun zwischen sezessionistischen Kräften im Nordwesten und Südwesten des Landes und dem Militär. „Am Tag unserer Flucht kamen mein Vater und ich gerade vom Feld zurück, als wir sahen, wie ein Hubschrauber Männer in Uniform absetzte, die anfingen, junge Männer zu töten.“ Er nahm sofort seine vier jüngeren Geschwister und überquerte mit seiner Familie die Grenze nach Nigeria, um Schutz zu suchen.

Ochang plant sein Studienpraktikum zu nutzen, um seiner Aufnahmegemeinde zu helfen: „Ich plane ein Praktikum beim staatlichen Katastrophenschutz in Adagom.“

Auch Rose will ihrer neuen Gemeinde, Flüchtlingen und Einheimischen gleichermaßen helfen und ihr einjähriges Praktikum in einer Gesundheitseinrichtung in Adagom absolvieren. Mit dem Wissen, das sie sich angeeignet hat, behandelt sie bereits Menschen mit leichten Erkrankungen. „Ich war hilflos, aber jetzt helfe ich bereits den Menschen um mich herum. Nachts klopfen sogar andere Flüchtlinge an meine Tür, wenn ihre Babys krank sind, und ich behandle sie mit meinen eigenen Medikamenten. „Am nächsten Morgen erzählen sie mir, wie gut ihre Babys geschlafen haben und das freut mich“, sagt Rose.

Sie hat große Pläne für die Zukunft: „Wenn ich meinen Abschluss habe, würde ich gerne eine kleine Apotheke in der Flüchtlingssiedlung eröffnen und in der Gesundheitseinrichtung arbeiten."

Joe Fraser, ihr 58-jähriger Ehemann ist zuversichtlich, „dass sie sich um unsere Kinder und uns kümmern kann“, nachdem der Plan, „der Weiterbildung seiner Frau “, in Erfüllung geht. Er, der selbst zusammen mit einer Schweizer Kooperation in Kamerun ein Gemeindeentwicklungsprojekt geleitet hat, ist dankbar für die Unterstützung, die seine Familie von DAFI, UNHCR und dem Gastland erhalten hat. „Wir danken der nigerianischen Regierung, dass sie uns aufgenommen hat.“