Zu jung zum Heiraten
Zu jung zum Heiraten
AMMAN, Jordanien - Wegen des Konflikts in Syrien musste Omaima Damaskus mit ihrer Familie verlassen und suchte Schutz in Jordanien. Sie wollte unbedingt weiter zur Schule gehen und im lebhaften Zaatari-Camp mit seinen gegenwärtig rund 80.000 Bewohnern neue Freunde zu finden.
„Als ich (2013) in der 6. Klasse war, hörte ich das erste Mal, dass Mädchen im Alter von zwölf oder 13 Jahren heirateten. Sie kamen zur Schule, um sich zu verabschieden. Ich erinnere mich daran, dass ich sofort, ohne die Hintergründe zu kennen, dachte: sie machen einen großen Fehler“, erzählt Omaima, jetzt 15 Jahre alt, den Besuchern vom UNHCR.
Als schließlich eine von Omaimas besten Freundinnen, Basma*, von ihrer Familie mit nur 14 Jahren verheiratet wurde, konnte sich Omaima dem Thema nicht mehr entziehen.
„Wir waren immer zusammen, und sie war eine der besten Schülerinnen in unserer Klasse“, erinnert sich Omaima. „Sie wollte nicht heiraten, aber ihre Eltern dachten, dass es die beste Option für sie sei.“
Wie in den meisten frühen Ehen, verließ Basma nach ihrer Hochzeit die Schule und Omaima sah ihre Freundin nie wieder. Nach dieser Erfahrung beschloss Omaima alles daran zu setzen, andere Mädchen im Camp vor diesem Schicksal zu bewahren.
Sie informierte sich über die Risiken der Frühverheiratung und ermutigte dann ihre Freundinnen und Klassenkameradinnen mit ihren Eltern darüber zu sprechen, um sie von dieser Praxis abzubringen.
Sie organisierte auch Zeichen-und Theaterkurse für Mädchen in ihrem Alter, um ihnen zu zeigen, wie sie das Thema kommunizieren und visualisieren können. Omaima merkte erstmals, dass ihre Bemühungen erfolgreich waren als sich einige noch minderjährige Mädchen gegen eine frühe Heirat und für die Fortsetzung ihrer schulischen Laufbahn entschieden.
Nach jordanischem Recht ist das Mindestalter für eine Heirat auf 18 Jahre festgelegt. Religiöse Richter sind allerdings dazu berechtigt, Ehen zu genehmigen bei denen die Partner lediglich 15 Jahre alt sind – sofern dies im besten Interesse des Kindes passiert. Trotz dieser gesetzlichen Beschränkungen und den Anstrengungen der Behörden gibt es Fälle, in denen einheimische Scheichs inoffizielle Heiraten von 14-jährigen oder noch jüngeren Mädchen erlauben. Diese sind vor Gesetz aber nicht legal.
Obwohl es eine kulturelle Tradition von frühen Eheschließungen in manchen Teilen von Syrien gibt, darunter auch in ländlichen Regionen der Daraa-Provinz, aus der ein Großteil der im Zaatari-Camp lebenden Flüchtlinge stammt, gibt es dennoch verschiedenste Faktoren, die dazu beitragen, dass frühe Eheschließungen unter syrischen Flüchtlingen in Jordanien zunehmen. Darunter fallen zum Beispiel die schwierigen Lebensumstände im Camp und die unsichere wirtschaftliche Lage vieler Familien, die sie dazu drängen ihre Töchter zu verheiraten, um sich finanziell zu entlasten.
Vor dem Krieg in Syrien war in rund 13 Prozent der Ehen ein Ehepartner jünger als 18 Jahre alt. Unter syrischen Flüchtlingen in Jordanien ist diese Zahl im ersten Quartal 2014 auf 32 Prozent gestiegen.
In Zusammenarbeit mit dem örtlichen Richter im Zaatari Camp, bietet UNHCR eine Eheberatung für alle an, die vor Ende ihres 18. Lebensjahrs beabsichtigen zu heiraten. Diese Beratung soll das Bewusstsein für die Risiken von Frühverheiratung stärken und auch auf die Gesundheitsrisiken von frühen Schwangerschaften aufmerksam machen.
Sollte festgestellt werden, dass ein Kind unter 15 Jahre alt ist oder dass eine Zwangsheirat vorliegt, bietet UNHCR den Familien intensive Beratung zu den rechtlichen, gesundheitlichen und psychologischen Konsequenzen dieser Praxis an. Dies geschieht in Kooperation mit der Abteilung für Familienschutz der jordanischen Regierung, die versucht die Durchführung solcher Ehen zu verhindern.
„Trotz der verbundenen körperlichen und psychischen Risiken, ist es schwierig Ehen zu verhindern, wenn das Kind 15 Jahre oder älter ist, sofern alle Parteien der Ehe zustimmen und keine anderen besonderen Bedenken vorliegen“, sagt Sophie Etzold, Protection Officer des UNHCR im Zaatari-Camp.
Als Teil ihrer Bemühungen frühe Verheiratung zu stoppen, arbeitet Omaima seit letztem Jahr als freiwillige Sozialarbeiterin für die Nichtregierungsorganisation Save the Children. „Ich bin so stolz darauf, dass ich anderen Mädchen dabei helfen kann, dieses Problem anzusprechen und zu bewältigen.“
Omaima sagt, dass sie sich darauf freut, selbst einmal zu heiraten. „Aber nur nach meinen eigenen Regeln und erst wenn ich meine Ausbildung abgeschlossen habe und auf der Universität war. Und wenn ich mich dann tatsächlich für das Heiraten entscheide, werde ich hoffentlich nicht mehr in Zaatari leben.“
*Name von Redaktion geändert