Select a language for this section:
Über Arbeitsintegrationsprogramme können Flüchtlinge dazu beitragen, den Fachkräftemangel in der IT-Branche zu verringern. Hussam Allahams Geschichte vom Resettlement in die Schweiz zum Mitbegründer und CEO des IT Nearshoring-Unternehmens Remotecoders ist ein gutes Beispiel dafür.
Bis 2030 werden in der Schweiz 40’000 Informatiker*innen fehlen, prognostiziert der Verband ICT-Berufsbildung Schweiz. Schon heute sind 30’000 IT-Stellen unbesetzt. Gleichzeitig verdeutlichen Statistiken des Staatssekretariats für Migration (SEM) aus dem Jahr 2022, dass 45% der Flüchtlinge und vorläufig aufgenommenen Personen im erwerbsfähigen Alter sieben Jahre nach ihrer Ankunft in der Schweiz noch keinen Arbeitsplatz gefunden haben. Dabei besteht ein grosser Geschlechterunterschied. Unter den Personen mit Schutzstatus S sind bisher 20% erwerbstätig, wobei der Bund diese Zahl bis Ende 2024 auf 40% erhöhen möchte. Anerkannte Flüchtlinge, vorläufig Aufgenommene und Personen mit Schutzstatus S stellen also ein beträchtliches ungenutztes Potenzial für den Schweizer Arbeitsmarkt dar. Wie Arbeitsintegrationsprogramme dazu beitragen können, dieses Potenzial auszuschöpfen, zeigt Hussam Allahams Erfolgsgeschichte.
Von Syrien in den Libanon und Resettlement in die Schweiz
2011 schloss Hussam seinen Master in englischer Literatur an der Universität Damaskus ab, heiratete, eröffnete eine Sprachschule und wurde Vater. Gleichzeitig brach aber auch der Arabische Frühling an. Darayya, ein Vorort von Damaskus, in dem Hussam mit seiner Familie lebte, war während des Syrienkonflikts mehrfach Schauplatz heftiger Gefechte. 2013 floh Hussam mit seiner Familie in den Libanon. Er engagierte sich als Lehrer, arbeitete als Freiwilliger bei verschiedenen Organisationen, darunter auch UNHCR, und berichtete auf einem lokalen Radiosender über die Situation der Flüchtlinge im Libanon. Trotz seiner Bemühungen lebte die Familie in prekären Verhältnissen mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus.
Schliesslich erhielt Hussam einen entscheidenden Anruf: Seine Familie war wegen ihrer besonderen Vulnerabilität ausgewählt worden, im Rahmen des UNHCR Resettlement-Programms in die Schweiz zu kommen. Hussam, seine Frau und ihre beiden Töchter bestiegen in Beirut das Flugzeug und landeten am 24. November 2015 in Zürich. Damit gehörten sie zu den insgesamt 502 Flüchtlingen aus Syrien, die zwischen November 2013 und Dezember 2015 im Rahmen des Resettlement-Programms in die Schweiz umgesiedelt wurden. «Wir hatten das Glück und das Privileg, auf sicherem Weg in die Schweiz zu kommen, was den meisten Flüchtlingen nicht vergönnt ist. Stattdessen sind sie gezwungen, auf der Flucht ihr Leben aufs Spiel zu setzen», sagt Hussam rückblickend.
Vom Arbeitsintegrationsprogram zum Projektleiter bei Powercoders…
In der Schweiz angekommen, war Hussams erster Gedanke, nach Arbeit zu suchen. Dabei wurde er auf Powercoders aufmerksam, einem ICT-Arbeitsintegrationsprogramm für Flüchtlinge: 12 Wochen programmieren lernen, danach drei Monate Praktikum bei einer IT-Firma. Das Ziel dahinter war Flüchtlinge dabei zu unterstützen, ihre Unabhängigkeit wiederzuerlangen und gleichzeitig den Mangel an IT-Talenten zu beheben.
Hussam nahm am Pilotprojekt teil und nach einem IT-Praktikum im Frühjahr 2017 schlug Christian Hirsig, Gründer von Powercoders, ihm vor, bei Powercoders zu bleiben. Hussam stieg bald zum Projektleiter auf und gemeinsam bauten die beiden das Projekt weiter aus, mit beachtlichen Ergebnissen: von 247 Teilnehmende erhielten 93% anschliessend ein Praktikum und 60% sogar eine Stelle.
…und zum Mitbegründer und CEO von Remotecoders
Während der COVID-19-Pandemie entwickelte Hussam die Idee für das IT Nearshoring-Unternehmen Remotecoders, wobei IT-Dienstleistungen ins Ausland ausgelagert werden. Das Ziel: die Lücke zwischen der hohen Nachfrage nach IT-Talenten in Europa und dem ungenutzten Potenzial im Nahen Osten und Nordafrika zu schliessen und Personen aus benachteiligten Gruppen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Mit einer Finanzierung der Schweizer Regierung und verschiedenen Stiftungen startete Remotecoders 2023 ein Pilotprojekt. Das Unternehmen bietet europäischen Firmen IT-Teams bestehend aus einem leitenden Entwickler oder einer Entwicklerin sowie zwei Praktikant*innen, die in Ägypten rekrutiert werden.
Das sechsmonatige Programm von Remotecoders beinhaltet ein Training in Zusammenarbeit mit der EPFL Extension School und ein Praktikum bei einem europäischen Partnerunternehmen. Die Erfolgsbilanz aus dem ersten Jahr des Programms ist beeindruckend: Von 49 Teilnehmenden haben 37 Personen weiterführende Praktika oder feste Anstellungen gefunden.
Eine beidseitige Bereicherung
Die Arbeitsmarktintegrationsprogramme von Powercoders und Remotecoders wirken nicht nur dem IT-Fachkräftemangel entgegen, sondern bauen auch Brücken zwischen verschiedenen Gemeinschaften, und tragen dazu bei, das Potenzial von unter anderem Flüchtlingen auszuschöpfen. Programme wie Powercoders sind besonders wichtig, da sie eine vergleichsweise reibungslose Weiterbildung oder eine berufliche Umorientierung ermöglichen. Die Arbeitsintegration bietet einen beidseitigen Mehrwert. Sie ermöglicht der Aufnahmegesellschaft, von den Fähigkeiten der Flüchtlinge zu profitieren. Auf der anderen Seite können sich diese ein eigenständiges Leben aufbauen und sich als Teil der Gemeinschaft fühlen. Die Geschichte von Hussam ist ein gutes Beispiel gelungener Arbeitsmarktintegration und ein Zeugnis dafür, dass Resettlement ein echter Türöffner für dauerhafte Lösungen für Flüchtlinge ist und zeigt den Erfolg kreativer Lösungen.
Auf Facebook teilen Auf Twitter teilen