Urbane Allianzen für den Flüchtlingsschutz
Urbane Allianzen für den Flüchtlingsschutz
Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch spricht am Globalen Flüchtlingsforum
Über 70 Prozent aller Flüchtlinge leben in Städten und urbanen Gebieten. Städte spielen daher eine entscheidende Rolle im globalen Flüchtlingsschutz, insbesondere bei der Unterbringung und Integration. «Globale Herausforderungen zeigen sich lokal», erklärt Bettina Etter, Projektleiterin Aussenbeziehungen bei der Stadtentwicklung Zürich, «deshalb gehören Städte an den Tisch, wenn über Lösungen diskutiert wird.»
Zürichs Engagement auf der internationalen Bühne
Die Stadt Zürich engagiert sich seit Jahren aktiv im internationalen Flüchtlingsschutz, besonders seit der grossen Fluchtbewegung 2015, die durch den syrischen Bürgerkrieg ausgelöst wurde. «Zürich war immer eine offene Stadt. Wir wollten damals nicht nur lokal helfen, sondern auch unseren Beitrag in Erstaufnahmestädten leisten», sagt Etter. Der Libanon nahm 2015 mit 183 Flüchtlingen pro 1'000 Einwohner so viele Flüchtlinge pro Einwohner*in auf wie kein anderes Land. Im Rahmen der grossen internationalen Solidarität baute Zürich eine Kooperation mit der Stadt Tyros auf. Dort unterstützte Zürich verschiedene Initiativen, welche die Verkehrsinfrastruktur entlasteten, wie zum Beispiel ein Fahrradverleihprojekt, das die Mobilität für alle Stadtbewohnende verbesserte und so die Aufnahme der Flüchtlinge erleichterte. Die Kooperation mit Tyros hat sich bis heute weiterentwickelt; und sie bleibt nicht die einzige Stadtkooperation. Zürichs Engagement geht weit über den Libanon hinaus: Von Abfallwirtschaft in Südamerika bis hin zur Wasserversorgung in der Ukraine unterhält Zürich Stadtkooperationen im Rahmen der städtischen internationalen Zusammenarbeit.
Die Stadt Zürich, vertreten durch Stadtpräsidentin Corine Mauch, ist Gründungsmitglied des Mayors Migration Council (MMC), einem globalen Zusammenschluss von Städten, der ihre Stimme in der internationalen Migrations- und Flüchtlingspolitik stärken soll. Der MMC wurde 2019 von Bürgermeister*innen aus zehn Städten, darunter Zürich, sowie mit Unterstützung der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA, gegründet. «Bei den Verhandlungen des Globalen Pakts für Flüchtlinge (GCR) und des Globalen Migrationspakts (GCM) fehlte eine kollektive Stimme der Städte», sagt Etter. «Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft waren schon organisiert - die Städte aber noch nicht.»
Als Mitglied des MMC nahm Zürich 2023 am Globalen Flüchtlingsforum (GRF) teil, wo über 270 Städte erstmals prominent mit einer gemeinsamen Stimme auftraten. Der Bürgermeister von Bristol sprach im Namen aller Städte und präsentierte über 100 «Pledges», konkrete Selbstverpflichtungen der Städte zur Umsetzung des Globalen Flüchtlingspakts. «Wenn jede Stadt einzeln auftritt, wird sie weniger gehört», sagt Etter. «Aber gemeinsam haben wir Gewicht - eine echte critical mass.»
Vom internationalen zum nationalen Dialog
Auch im nationalen Kontext engagiert sich die Stadt Zürich: So nimmt sie am WOSA-Prozess («Whole-of-Society Approach») teil, einem regelmässigen Austausch zwischen Bund, Zivilgesellschaft, Kantonen und Städten zur Umsetzung der Ziele des Globalen Flüchtlingspaktes auf nationaler Ebene, koordiniert von der DEZA und UNHCR. «Wir waren von Anfang an dabei», erklärt Etter. «Einerseits, weil wir uns über den MMC schon international engagierten, andererseits, weil Zürich sich gemeinsam mit anderen Städten schön länger dafür einsetzt, dass Städte auch in der nationalen Flüchtlingspolitik stärker eingebunden werden.» Für Bettina Etter stehen die WOSA-Treffen komplementär zum MMC, «weil sie ein nationales Netzwerk schaffen und sich Synergien ergeben.»
Aus diesem Austausch entstand unter anderem auch der Pledge zur tripartiten Zusammenarbeit im Asylsystem, den Zürich gemeinsam mit Bund, Kantonen und weiteren Städten am GRF 2023 einreichte. Das Ziel des Pledges ist eine bessere Zusammenarbeit aller drei staatlichen Ebenen, Bund, Kantone, Gemeinden, im Asylbereich. «Oft werden Städte als reine Umsetzerinnen nationaler Politik gesehen», sagt Etter. «Aber wir spüren die Realitäten vor Ort und setzen Integration konkret um. Darum wollen wir auch mitreden, wenn es um die Gestaltung der Asylpolitik in der Schweiz geht.» Die tripartite Zusammenarbeit und der Einbezug von Städten sei in aktuellen nationalen Prozessen, wie dem Asylausschuss des Bundes und der Erarbeitung einer neuen nationalen Asylstrategie, besser berücksichtigt als zuvor. «Das ist ein wichtiger Schritt. Städte bringen Perspektiven ein, die sonst fehlen würden.»
Blick nach vorn
Da sich Stadtpräsidentin Corine Mauch 2026 nicht mehr zur Wiederwahl stellt, steht der Stadt Zürich ein Wechsel bevor und damit stellt sich die Frage, wie es mit Zürichs internationalem Engagement weitergeht. Etter bleibt auf jeden Fall zuversichtlich: «Der Flüchtlingsschutz bleibt eine Priorität. Das internationale Engagement hängt von den neuen politischen Schwerpunkten ab.»
Denn eines ist für sie klar: Städte sind keine Nebendarstellerinnen, sondern zentrale Partnerinnen im globalen Flüchtlingsschutz. «Wir sind diejenigen, bei denen Menschen ankommen. Wir schaffen Integration, Tag für Tag. Deshalb müssen Städte mitreden, wenn es um die Zukunft des Flüchtlingsschutzes geht.»